Keine Spur von Schülervorstellung

Der Ballettabend der Akademie des Tanzes Mannheim in Ludwigsburg

Ludwigsburg, 07/07/2002

Indem die Ludwigsburger Schlossfestspiele ihr „Herzstück“ Schlosstheater nach und nach baden-württembergischen Musikhochschulen zur Demonstration ihrer „Spezialitäten“ auffordernd zur Verfügung stellen, leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und zur Bewertung der künstlerischen Nachwuchsarbeit im Lande. Letztere ist offenkundig auf einem sehr hohen Niveau, wie vor drei Wochen das Institut für Alte Musik Trossingen mit seinen Rekonstruktionen barocker Tänze und jetzt die Akademie des Tanzes Mannheim mit ihrem Ballettabend zum Abschluss der Tanzreihe gezeigt haben.

Die Akademie, im Jahre 1762 gegründet und jetzt zur Musikhochschule Mannheim gehörend, ist nach Paris und St. Petersburg die traditionsreichste Europas. Seit die ehemalige Stuttgarter Ballerina Birgit Keil vor vier Jahren seine Leitung übernommen hat, ist das Institut in einem geradezu atemberaubend steilen Aufschwung begriffen. Keil setzt nämlich nicht nur auf eine erstklassige tänzerische Ausbildung, sondern sie legt mindestens gleich viel Wert darauf, ihren Schützlingen schon während des Studiums auf vielerlei Weise möglichst intensive Bühnenerfahrungen zu vermitteln, sie also als weit gehend fertige, professionelle Tänzer ins Berufsleben zu entlassen, was ihre Chancen auf Engagements nachhaltig erhöht. Mannheimer Absolventen tanzen heute in namhaften Truppen Europas.

Aus diesem Grunde kommen der Akademie Gastspiele wie jetzt in Ludwigsburg mit einem kompletten, zweistündigen Ballettabend gerade recht. Schon dass und wie es den Studenten gelungen ist, ihre Auftritte auf die vergleichsweise winzige und stark in Richtung Publikum geneigte Bühne einzurichten, nötigt Respekt ab. Das Programm aus kurzen Stücken, vorwiegend Pas de deux, im ersten und Ivo Vana Psotas überbordender Tollerei „Kadettenball“ im zweiten Teil, zeigte die Mannheimer in bester Verfassung.

Kaum eine Spur von Schülervorstellung, abgesehen vom Eifer und der mitreißenden Tanzfreude, dafür bereits hochklassige Professionalität. Ob in der ungarischen Folklore, dem neoklassischen Pas de deux, dem mit viel Allüre und Anmut von Jussara Fonseca und Vlad R. Sabau zelebrierten Pas de deux aus dem „Nussknacker“, Nacho Duatos jugendlich-liebevoller Tändelei „Die Blume“ mit Barbara Skrlj und Marcos Menha oder in „Just Before Falling“ des hoch begabten Studenten Terence Kohler, der zu Klaviermusik von Bach und John Cage ein dynamisches, witziges, originelles und vor allem Musik und Raum perfekt miteinander verbindendes Stück für elf Damen und Herren geschaffen hat – die Akademie des Tanzes hat eine blütenweiße Visitenkarte abgeben.

Und zum Schluss der „Kadettenball“ zu Musik von Johann Strauß (Sohn), ein knallbuntes Kaleidoskop aus wirbelnden Röcken, fliegenden Beinen, schmachtenden Augen, schmissigen Soldatentänzen, schüchternen Annäherungen und verliebten Ohnmachtsanfällen. Das funkelt und blitzt nur so, die ganze Bühne voller Talente, ein brillantes Solo nach dem anderen – das  hat diesen aufgedrehten Backfischen und Burschen mindestens so viel Spaß gemacht, wie dem Publikum, das völlig aus dem Häuschen war.

Aber: Was sich die Akademie an diesem Abend an hanebüchen miserabler Tonqualität geleistet hat, das war absolut inakzeptabel. Gerade ein Institut diesen Ranges sollte nie vergessen – nicht zuletzt im Interesse seines Ausbildungsziels – dass die Musik nicht ein rhythmusspendendes Hintergrundgeräusch für den Tanz ist, sondern sein künstlerischer Partner, der ebenso seriös behandelt werden muss, wie der Tanz selbst. Doch sonst – Hut ab!

Kommentare

Noch keine Beiträge