Liliane Teles mit der São Paulo Dance Company: „Umbó“

Vor Kraft kaum tanzen können

Zum Gastspiel der São Paulo Dance Company in Ludwigshafen

Gleich dreimal zeigte die São Paulo Dance Company ihr Können. Neben neuen Stücken von Leilane Teles und George Céspedes gab es auch eine eigene Version von Jiří Kyliáns „Indigo Rose“ zu sehen.

Ludwigshafen, 07/11/2025

Die Redewendung „vor Kraft kaum laufen können“ lässt ein Bild jugendlichen - vorrangig männlichen - Übermuts vor dem inneren Auge entstehen, in dem sich im Überfluss vorhandene Bewegungsenergie spielerisch entlädt, ganz ohne praktischen Nutzen. Die jungen Kraftprotze im fünfzehnköpfigen Ensemble der São Paulo Dance Company nahmen mit sichtbarem Spaß das choreografische Angebot von Altmeister Jiří Kylián an, mit ihrem tänzerischen und athletischen Können zu spielen – ganz so, als könnten sie vor Kraft kaum tanzen. Sein Stück „Indigo Rose“ (2015 kreiert zum 20-jährigen Bestehen der Junior-Kompanie von Nederlands Dans Theater) demonstriert anschaulich, wie alle Elemente einer Produktion zusammenwirken können: ein fantastisches Bewegungsvokabular mit Anklängen an klassisches Ballett, gebrochen von athletischen Kunststücken und überbordenden Alltagsbewegungen; farbfröhliche, mit Transparenz spielende Kostüme (Joke Vissar); ein raumteilender, diagonaler Seidenvorhang, der ein Spiel mit Licht und Schatten erlaubt, und ein Musikmix von Couperin über Cage bis Bach. Entsprechend euphorisch fiel der Beifall im voll besetzten Ludwigshafener Pfalzbau aus.

Das zeitgenössische Brasilien

In dieser choreografischen Liga spielen die beiden weiteren Arbeiten nicht ganz, mit denen die São Paulo Dance Company derzeit auf Gastspielreise ist. Dennoch stellt die Company mit der Programm-Auswahl ihren Anspruch auf Aktualität und Zeitgenossenschaft nachdrücklich unter Beweis. In ihrem Repertoire darf ein Stück nicht fehlen, das Bezug auf das kulturelle Erbe des Landes nimmt; schließlich wird das brasilianische Vorzeige-Ensemble staatlich gefördert. So war für Leilane Teles, die in ihrem Stück „Umbó“ (2021), die Sehnsucht nach Identität thematisiert, brasilianische Singer-Songwritermusik eine wichtige Assoziationsquelle. Nach einem temporeichen und witzigen Anfang, der auch einige Erwartungshaltungen demonstrativ unterläuft, endet das Stück dann doch ein bisschen brav in Tanzschuhen und kurzen Röckchen im eher konventionellem Paartanz.

Der kubanische Choreograf George Céspedes thematisiert in seinem brandneuen Stück „Ataraxia“ das philosophische Konzept des Stoizismus, der inneren Unerschütterlichkeit in unruhigen Zeiten. Dafür ließ er die Tänzer*innen nicht etwa stillstehen, sondern verordnete ihnen im Gegenteil rasante, mathematisch raffinierte Formationen. Die Ordnung der geometrischen Formen, die Céspedes höchst einfallsreich durchspielte, sollten auf diese Weise sozusagen zum ruhigen Auge des Bewegungs-Hurricanes werden. Für diese Wirkung hätte man sich die Abläufe freilich noch etwas präziser gewünscht.

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