„Tanz der Menschlichkeit“
Nestroy Spezialpreis für Doris Uhlich und Michael Turinsky mit „Ravemachine“
Susanne Kirnbauer, geboren 1942, hat sich letzten Oktober noch „die Hüfte“ operieren lassen. Ehe die Proben los gingen mit Choreografin und Bühnenpartnerin Doris Uhlich zu einer neuen, nahezu lecture-artigen Reise aus symbolhaften Bewegungsgespinsten und ausgelöst durch das Körpergedächtnis ihrer Vergangenheit als Erste Solotänzerin der Wiener Staatsoper. Kirnbauer wollte sich möglichst schmerzfrei dem intensiven Prozess für „Come back Again“ aussetzen, dem dritten gemeinschaftlichen Programm, das nun in Wien im brut nordwest herauskam. Binnen kurzer Zeit waren die fünf Vorstellungen ausverkauft, das sommerliche Festival ImPulsTanz hat, wie zu vernehmen war, nach der Uraufführung sein Interesse angemeldet.
Wie in den beiden Produktionen davor, „SPITZE“ (2008) und „Come Back“ (2012), schwebt auch dieses Mal die Auseinandersetzung mit dem perfektionistischen Anspruch an die Leistungs- und Leidens-, aber auch die Erinnerungsfähigkeit einer klassischen Tänzerin durch den großen, schwarzen Bühnen-Raum. Sie schwebt tatsächlich, denn Susanne Kirnbauer lenkt, selbst sitzend, den Blick auf ihre behenden Fußspitzen in Sneakers. Ein Spot wirft Licht auf ihre weißen Arme, die sich biegsam zu Beinen formen und verformen. Sie deutet ein Springen an, bleibt aber immer in ihrer unmittelbaren Gegenwart als Frau heute. Das rührt und berührt, ohne mitleidiges Lächeln. Über ein lautes erleichterndes Seufzen von Kirnbauer, nach all dem Show-Können, aber lacht man mit ihr von Herzen. Man mag Lebenseinsichten an solchen Szenen messen, die immer noch eine Zukunft verheißen. Denn das Wort Altern, oder besser älter werden, kümmert alle.
Später entkommt Susanne Kirnbauer eine typische Handgeste der historischen Grete Wiesenthal, ganz ohne Walzerseligkeit, da Boris Kopeinig seine Sound-Vorlagen unter anderem von Bryan Ferry bezieht. Eine lange Vergangenheit tut sich auf, nicht nur beim Zählen der Lebensjahre, sondern auch über komödiantisch anmutende Körperverschiebungen, die nicht nur eine andere Art von Können suggerieren, sondern auch einen Schalk hervorblitzen lassen, von dem die Zuschauenden zehren, ja sich nähren mögen. Doris Uhlich ist abschnittweise der Du-Effekt dieses Comebacks. Im Gespräch miteinander verflechten sich die Kunstwege zweier Generationen. Das Publikum hat sie begeistert angenommen.
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