Energetisches Erleben
Saisoneröffnung im Festspielhaus St. Pölten mit einem Gastspiel aus Göteborg
Sharon Eyal - S-E-D mit „Delay the Sadness“ im Festspielhaus St. Pölten
Im klopfenden Soundcluster von Josef Laimon und intensiven Licht-Abstufungen von Alon Cohen ziehen sie in einer Reihe auf der dunklen Bühne des Festspielhauses St. Pölten ein: Sharon Eyals Geschöpfe, acht Tänzerinnen und Tänzer, ganz in Beige, wie von einer zweiten Haut überzogen, mit roten Spuren am Oberkörper, Kniestutzen an den Waden. Als wären sie nicht von dieser Welt staksen sie in ihrer durchgebogenen, exponierten, fleischlichen Anatomie auf Halbspitze, Sharon Eyals Markenzeichen, einen Arm erhoben mit aufgeworfener Hand. Präzise, wie unsichtbar aneinandergekettet.
Schon entstehen reliefhafte Tableaus aus menschlichen Kreaturen, die in eckigem Stakkato wie verzerrte Erinnerungen an eine menschliche Vergangenheit wirken. Schon löst die Magierin Eyal ein Damen-Trio, ein Herren-Quartett, ein Solo und immer wieder Duette aus dem Reihen-Motiv. Sie setzt skulpturale Erscheinungen in Gang, die nicht nur ob ihrer Gelenkigkeit und immer wieder weichem Körper-Federn mit ballettartiger Anmutung erstaunen, sondern zunehmend mit maskenhaften, erstarrt wirkenden Emotionen freigelegt werden. Als würde die Bildhauerinnen-Arbeit einer wie besessen Tätigen immer weiter fortschreiten und Gesichter und Körper einschreiben mit einer tiefen Liebe und nach und nach mit den offenen Wunden großen Schmerzes. Akustisch eingearbeitet in die Skulpturengalerie findet sich John Taveners „Funeral Canticle“, gesungen vom Chor der Academy of Ancient Music.
Ein Tänzer-Paar wie zum Kuss aneinandergestellt, ein Tänzer-Paar mit weit aufgerissenem, stumm schreiendem Mund. Rundherum Finsternis. „Delay the Sadness“. Verschieb das Traurigsein (über den Tod der Mutter). Dröhn es zu. Das aber gräbt sich ein wie mit einem Meißel, vielleicht für immer.
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