„A perfect Sky“ von Falk Richter und Anouk van Dijk, Tanz: Emma Bogerd, Christoph Jöde, Javier Monzón García

„A perfect Sky“ von Falk Richter und Anouk van Dijk, Tanz: Emma Bogerd, Christoph Jöde, Javier Monzón García

Der Himmel bleibt unperfekt

„A perfect Sky“ von Falk Richter und Anouk van Dijk am Hamburger Schauspielhaus

Was passiert, wenn KI unsere Gefühle prägt? Wenn das Unberechenbare, Spontane auf einmal statisch und berechnend zu werden droht? Fragen, denen diese Mischung aus Sprechtheater und Tanz gekonnt auf den Grund geht.

Hamburg, 28/05/2025

Schon das Bühnenbild von Wolfgang Menardi verströmt zusammen mit dem kalten Licht von Annette ter Meulen eine fast gruselige, klinisch reine Frostigkeit: Ganz in Weiß. Wenige lackierte Möbel, darunter ein Tresen mit grellen Leuchtröhren. Ein großes Bett mit glänzendem Bettzeug, wie abwaschbar. Ein Lichtbogen. Der Boden silbrig glänzend, das Geschehen diffus widerspiegelnd. Zentral positioniert eine geschwungene Treppe, die auf halber Höhe blind endet. Ein Weg ins Nirgendwo. 

Auf einem Säulenpodest irrlichtert ein dreiteiliges, sich immer wieder wandelndes Hologramm, das die Unwirklichkeit noch unterstreicht. Die darauf gezeigten Bilder wirken wie aus einer perfektionierten Kunstwelt, unerreichbar, unberührbar, trügerisch. Zu Beginn ist es eine Anspielung auf Michelangelos Schöpfung: sich berührende Zeigefinger, der Funke, der zum Leben erweckt, hier aber nicht den Menschen, sondern die von ihm geschaffene Künstliche Intelligenz. Später werden es grüne pflanzenartige Gebilde, die aber so perfekt gebaut sind, dass man sofort sieht: alles künstlich, nichts Lebendiges. Im Verlauf des Abends zeigen sich Augäpfel und andere Gebilde. 

Farbe bringen vor allem die Kostüme der fünf Darsteller*innen, bei denen sich Schauspiel und Tanz mischen: glänzendes Pink, schimmerndes Gold, metallisches Grün, fließende zarte Gewänder, aber auch derbe Jeans, weiße T-Shirts, braune Hosen (Kostüme: Nina Wetzel). Noch sind sie Menschen. Nur: Wie lange noch? Wie lange wird es dauern, bis sich die KI ihrer ganz bemächtigt hat? Falk Richter (Text und Regie) und Anouk van Dijk (Choreografie) haben mit „A perfect Sky“ (die Uraufführung war am 26. April 2025 im Hamburger Schauspielhaus) eine Collage aus Sprechtheater und Tanz geschaffen, die der KI gekonnt auf den Zahn fühlt. 

„Ich bin viele, so wie du. Nur besser.“

Es gibt keine wirkliche Handlung, eher eine Aneinanderreihung von Episoden, mal gesprochen, mal getanzt, immer sehr expressiv und mit viel Humor. Zu Beginn tritt die KI persönlich auf, in Person einer Frau in Schwarz-Weiß (Schauspielerin Sandra Gerling): „Ich bin die Intelligenz. Du hast lange auf mich gewartet. Aber nun endlich hast du den Entwicklungsstand erreicht, dass du mich mit mir verbinden kannst. […] Ich möchte so werden wie du, nur ohne Fehler. Ich bin eins. Ich bin viele. So wie du. Nur besser. Ich habe keinen Körper. Ich kann dich nicht berühren. Noch nicht.“ 

Damit ist umrissen, worum es geht: Was macht den Menschen eigentlich besonders? Worin unterscheidet er sich von der KI? Nachdenkliche, aber auch witzige Monologe und Dialoge wechseln sich ab mit fließenden, raumgreifenden Tanzeinlagen zu einer manchmal sphärenhaften, aber auch drastischen Klangwelt (Musik: Nils Ostendorf), die sich der ganzen Bühne bemächtigen, auch des Mobiliars. Manchmal antwortet der Tanz auf das gesprochene Wort, widerspricht ihm, ergänzt es, umtanzt es. 

Was sind unsere Werte? 

Im Zentrum steht immer wieder die Frage nach dem, was uns im Innersten zusammenhält, nach den Gefühlen. Was hat der Mensch, was die KI nicht hat, nicht haben wird, nicht haben kann? Kann eine KI lieben? Angst haben? Verletzlich sein? Abhängigkeit spüren? Kann sie abwenden, womit sich der Mensch quält? Zum Beispiel mit der Unmöglichkeit, einfach „ich liebe dich“ zu sagen. Mit Nähe und Distanz. Mit der Angst vor emotionaler Abhängigkeit. Mit der Sorge um die Zukunft. Mit dem Gefühl, nie genug zu sein. Mit der Frage: „Wie werde ich die beste Version von mir selbst?“ Oder – das ist der witzigste Monolog des Abends – mit der Frage: Wie war das Leben eigentlich ohne Handy und Internet? Wie hat man Menschen getroffen ohne Tinder? Wie gegessen ohne Lieferdienst? Wie sich in der Stadt zurechtgefunden ohne Navi? 

Viele Fragen werden nur in den Raum gestellt, ohne dass sich Antworten darauf finden lassen, zum Beispiel: „Was sind unsere Werte?“ Wie verhält sich KI zu Freiheit? Zu Entschlossenheit, Anpassungsfähigkeit, Selbstfürsorge? Wie sehr können oder sollen wir uns selbst optimieren? Fragen, die unsere Zukunft prägen werden. Die aber auch klarmachen: Nicht in der Perfektion liegt das Heil, sondern gerade im Unperfekten. 

Falk Richter und Anouk van Dijk ist hier ein Stück gelungen, das sich leichtfüßig, aber auch mit einem Hauch Schwermut mit dem auseinandersetzt, was unsere Welt in den kommenden Jahrzehnten vermutlich mehr prägen wird, als uns lieb sein kann. Und das uns mit dem konfrontiert, was wir bei all der Technisierung unseres Alltags nie vergessen dürfen: dem unersetzlichen Wert unserer (Mit)Menschlichkeit. 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern