Hilfe, die Frauen kommen!
Mathilde Monnier und La Ribot sorgen für einen Höhepunkt der Tanzbiennale
Mathilde Monnier und Manuel Liñán bei der Heidelberger Tanzbiennale zu Gast
Was passiert, wenn ein Choreograf und Tänzer sein eigener Autor sein darf? Er schneidert sich – natürlich – ein Tanzstück, in dem er glänzen kann. Manuel Liñán nutzte diese Gelegenheit in „Baile de Autor“ (2018). Er gehört der Ü40-Generation erfolgreicher Flamenco-Tänzer an; vor 25 Jahren trat er bei der Expo in Hannover auf. Dorthin hatte Spanien als kulturelles Gastgeschenk auch Flamenco-Superstar Joaquín Cortés mitgebracht, der in einer blutroten Armani- Robe mit meterlanger Schleppe die 2000 Besucher beeindruckte. Während Cortés als Crossover-Tänzer sowohl in der Popwelt als auch im klassischen Ballett Erfolge einheimste, schien Manuel Liñán eher heimlich mit dem irischen Tap-Weltmeister Michael Flatley („Lord of the Dance“) zu konkurrieren. Dessen Weltrekord von 35 Taps pro Sekunde spielt zwar in einer unerreichbaren einsamen Liga, aber Liñán kann zu Recht stolz auf seine Flamenco-Fußarbeit sein.
Sie waren das Kernelement der vom Publikum gefeierten puristischen Show, stilecht arrangiert mit Gitarristen und Sänger. Routiniert schlüpfte Liñán in wechselnde Rollen und unterschiedliche Kostüme (Frack, offenes Jackett, weißes Hemd und zuletzt weißer Rüschenrock mit Schleppe und Fransentuch). Insgesamt dominierten dabei die lauten, oft raue Töne – leise wurde es erst ganz zum Schluss, als der Tänzer nach dem rauschhaften Schwingen von Fransentuch-Flügeln seine Sterblichkeit offenlegte.
Diverses Frauensemble mit Mathilde Monnier
Im Flamenco wird aufgetrumpft – von Frauen wie von Männern. Im richtigen Leben ist es um das Gleichgewicht der Geschlechter immer noch weniger gut bestellt. Choreografie-Ikone Mathilde Monnier (Montpellier) spießt in „Black Lights“ (2023) zusammen mit ihrem divers zusammengesetzten Frauenensemble sexistische Alltagserfahrungen auf: von der kleinen Belästigung bis zur strukturellen Unterdrückung, vom selbstverständlichen Anspruch auf den Frauenkörper als verfügbare Ware bis hin zu Missachtung durch die Justiz, von der Verführung abhängiger Minderjähriger bis zum Einsatz von K.O.-.Tropfen und heimlich installierter Kamera.
Auf der Bühne sind riesige trockene Baumstümpfe ausgelegt – ein Symbol für eindrucksvolles, nutzloses Totholz. Die Choreografin spielt ein bisschen mit dem Feuer und demonstriert, wie man die sperrigen Brocken ausräuchern kann. Die Texte des Stücks, geschrieben von bekannten Autorinnen, werden von den Tänzerinnen verblüffend authentisch vorgetragen. Die Tanzeinlagen, in denen Mathilde Monnier Bestürzung und Wut eindrucksvoll in Körpertheater umsetzt, wirken wie Kommentare zum Text; dabei ist die weit über Sechzigjährige selbst auf der Bühne aktiv. Als sich am Ende der Protest der Frauen in einem wilden Befreiungsreigen Raum schafft. Ist sie diejenige, die das Publikum unermüdlich zum Mitmachen antreibt. Saallicht gibt es erst, wenn es die ihr gelungen ist, die Zuschauerinnen und Zuschauer von den Sitzen zu reißen – kein Problem für die große französische Lady des zeitgenössischen Tanzes, selbst in der dicht besetzten Hebelhalle.
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