„perFORMing LOVE“, Choreografie Roni Chadash

So sexy, so unerotisch

„PerFORMing LOVE“ von Roni Chadash in der Hebelhalle Heidelberg

Roni Chadash nähert sich in ihrer neuen Perfomance dem Unterschied zwischen Sexyness und Erotik im Instagram-Zeitalter. Tanz in Dessous unter Polizeischutz.

Heidelberg, 24/05/2025

Sie wäre gerne selbst nach Heidelberg gekommen, aber die vielfach preisgekrönte Tänzerin und Choreografin Roni Chadash hat vor wenigen Tagen ein Kind auf die Welt gebracht. So musste ihre achtköpfige Truppe ohne die Chefin auf Deutschlandtour gehen, mit einem fulminanten Tanzstück und ein paar Beklemmungen wegen der politischen Lage im Gepäck. Noch nie zuvor in ihrer 37jährigen Tätigkeit hatten Jai Gonzales und Bernhard Fauser bei der Präsentation einer internationalen Company Polizeischutz im Hintergrund nötig. Es spricht für die Weltoffenheit der Neckarstadt, dass bei diesem Gastspiel in der gut besuchten Hebelhalle der einzige Aufreger die Begegnung mit der künstlerischen Handschrift von Roni Chadash war.

„PerFORMing LOVE“ fängt drastisch an: Noch bei Saallicht werden eine Tänzerin und ein Tänzer in schlichten schwarzen Dessous, leblos und steif wie Schaufensterpuppen, von zwei Kollegen auf die Bühne getragen und aufgestellt. Es gilt, sie als akzeptables Liebespaar in einer Umarmung zu arrangieren. Dabei müssen sie nicht nur die physische, sondern auch die psychische Balance wahren: also intim wirken, aber nicht reißerisch. Hier die Hand hin, da die Locken, die Köpfe zueinander gedreht oder doch besser in Richtung Publikum? Der kurze, prüfende Blick in den Zuschauerraum wird ein Schlüsselelement des Stücks: Alles muss gut aussehen, instagramable. Aber zunächst wird das Vorzeige-Paar von Fuß bis Kopf in durchsichtige Folie eingewickelt. Saallicht aus, Spotlight an: Es glitzert so schön, das Liebespaar – dem unter der Folie unmerklich die Luft ausgegangen ist.

Atemlos in schwarzen Uniform-Dessous

Als zwei Tänzer-Kollegen die Folie entfernen, fallen ihnen willenlose Gliederpuppen ohne jede Körperspannung entgegen. Bei dem Versuch, die Beiden trotzdem in einer überzeugenden Pose zu arrangieren, steigern sie sich in absurde, akrobatische Verrenkungen. Diese kunstfertigen, tragikomischen vergeblichen Bemühungen geben den weiteren Ton des Abends an. Acht junge, beeindruckend agile Tänzerinnen und Tänzer demonstrieren, was es heißt, die Facetten der Liebe zu performen, statt sie zu erleben. Die schwarzen Dessous werden zur Uniform, in der sich die unterschiedlichen Körper intensiv zur Schau stellen können: posieren und demonstrieren, ausprobieren, mit Klischees spielen und ihnen erliegen. 

Natürlich geht es um das Eine und die Zeitgeist-Denke, dass ein perfekt in Szene gesetzter Körper die Voraussetzung für die erhoffte Zweisamkeit ist. Nur kleine, verräterische Gesten erzählen von Leerstellen der Sehnsucht, die das auserwählte Gegenüber möglichst passgenau ausfüllen soll. Das klappt auf der Bühne genauso wenig wie im wirklichen Leben. Auch der Versuch, als Gruppe einen gemeinsamen Bewegungsflow zu etablieren, scheitert an dem kontinuierlichen Zwang, die Selbstdarstellung zu optimieren. Roni Chadash hat mit unerbittlichem Blick als attraktiv geltende Posen etwa in der Werbung oder Modefotografie studiert – in ihrer Choreografie entlarvt sie den Unterschied zwischen sexy und erotisch: nämlich das Zulassen von Emotionen.

Am Ende bleibt es dem Anfangs-Paar vorbehalten, zu zeigen, wie man Liebe erlebt, statt sie zu performen: mit charmantem Sich-Einlassen aufs Gegenüber, mit authentischer Verletzlichkeit und unaufgeregtem Partytanz – zum dröhnenden Soundtrack von „It must have been love“ von Roxette aus dem Film „Pretty Woman“. Ein kleines bisschen Kitsch zum Happy End also, gefiltert durch Selbstironie. Ein starkes, höchst aktuelles Tanzstück – gebührend gefeiert vom Publikum.

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