We were all children
Video presentation and talk of "melancholic ground" by Doris Uhlich at Choreographic Platform Austria
„LOIE“ von Claire Lefèvres auf der Choreographic Platform Austria
Von Natascha Bornholt
Aus der ersten Reihe des Publikums lässt sich zu Showbeginn Claire Lefèvres ernster Ausdruck in ihren Augen und um die violett geschminkten Lippen erkennen. Es ist ganz still, nur ihre Schritte und das Surren der Technik sind zu hören. Sie lehnt sich nach vorne, nach hinten, macht Drehungen, lässt ihre Arme fließend weich den Bewegungslinien folgen und richtet ihren Blick oft nach oben, fast schon sehnsüchtig. Konzentriert folge ich ihren Bewegungen und frage mich: Ob Loïe Fuller beim Tanzen wohl auch so ausgesehen hat? Ich zucke zusammen, als ein Wecker durch die Stille schrillt und mich aus meinen Gedanken holt.
Lefèvre beginnt zu sprechen, und die Atmosphäre ist sofort eine andere. Ihre Lecture-Performance über Loïe Fuller ist verpackt mit einer Menge Humor, Lesben- und Lebensanekdoten und vor allem einem Framing ihrer persönlichen Verbindung zu Loïe als eine „situationship“. Es fühlt sich sehr persönlich an, wenn Lefèvre von ihrer jahrelangen Obsession mit der Tänzerin aus dem 19. und 20. Jahrhundert erzählt und gelegentlich Monologe direkt an Loïe richtet. Ein Crush seit der Teenagerzeit, ein Drang, alles über sie herauszufinden, die gemischten Gefühle als sie Loïes red flags erkennt und die anschließende Realisation, dass sie Loïe Fuller idealisierte. Das Ergebnis ist eine kritische Aufarbeitung von Loïe Fullers Leben und Entscheidungen als lesbische Tänzerin in Paris, die ihren Erfolg auf Kosten anderer Minderheiten ausbaute.
Stoffe als Zitate
Die Art, mit der sie all das rüberbringt, lässt sich mit dem Wort Intermedialität beschreiben. Neben kurzen tänzerischen und verbal vorgetragenen Abschnitten setzt sie Nebelmaschinen, Lichter und von der Decke hängende Stoffbahnen ein, die durch Projektionen von Blumen-, Meer- und Feuermotiven Loïe Fullers Ästhetik zum Leben erwecken. Drei Stoffe ihres Bühnenbildes sind sehr lang und schmal, bestickt mit vulvenartigen Motiven, weitere rechteckig oder horizontal an der Bühnendecke hängend.
Manche Stoffe hängen schon seit Beginn der Show, manche zieht Lefèvre erst nach und nach ins Bild, um Sinnabschnitte zu markieren. Ein mit einem Feuermotiv bestickter Stoff umhüllt Claire Lefèvres Körper in einer der Szenen, die visuell und atmosphärisch zwar ernst und poetisch wirkt, aber durch die Nutzung von kleinen Hand-Nebelmaschinen, deren lautes Surren klar zu hören ist, einen komödiantischen Aspekt bekommt. Anschließend hängt sie auch diesen Stoff an. Er ziert die Mitte der Bühne und greift den Titel „LOIE (is a fire that cannot be extinguished)“ auf.
Es sind die Details, die mir an diesem Abend besonders gut gefallen. An einem Punkt zieht sie einen spiegelartigen, reflektierenden Teppich hervor. Warmes Scheinwerferlicht trifft auf ihn, reflektiert das Licht und lässt den weißen Stoff, der auf der linken Bühnenseite von der Decke hängt, so aufleuchten, als hätte man das Meer oder sanfte Flammen darauf projiziert. Die Lecture-Performance ist eine visuelle und erzählerische Reise durch die kritische Betrachtung Loïe Fullers Geschichte. Sie berührt kritische Themen wie den Kolonialismus und weiße Queerness, ohne jedoch tief in historische Details einzutauchen. Durch die humorvolle Herangehensweise der Künstlerin verlässt so mancher den Zuschauerraum mit einem Schmunzeln, während die angeschnittenen Themen subtil nachklingen.
Dieser Text entstand im Rahmen einer Kooperation von tanznetz mit Studierenden der Paris Lodron Universität in Salzburg unter der Leitung von Dr. Miriam Althammer und der Choreographic Platform Austria.
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