Der Körper ertanzt sich die Heimat
Aufeinandertreffen der Akram Khan Company mit dem Chinesischen Nationalballett
Akram Khan, Marie Chouinard und TAO Dance Theater bei ImPulsTanz
Sehr düster ist Akram Khans „Thikra: Night of Remembering”, ein Auftragswerk von Wadi AlFann: The Valley of Arts, al-'Ula, geworden. Ursprünglich als Open-Air-Produktion kreiert, hat Manal AlDowayan (Visuelle Leitung, Kostüm und Szenografie) den Ort für die Theaterfassung nachempfunden. Zu sehen ist eine Wüstenlandschaft mit Felsen, das Licht von Zeynep Kepekli setzt nur wenige Akzente auf der Bühne, das Geschehen findet meist im Halbdunkel statt. Die Matriarchin, in Rot gekleidet, kehrt für eine Nacht zu ihrem Stamm zurück. Gemeinsam mit zwei schwarz gekleideten Tänzerinnen führt sie ritualhafte Handlungen durch. Eine Tänzerin in weißem Kleid wird ausgewählt – ob sie zum Schluss auch geopfert wird, bleibt offen. Dazu kommen noch neun Tänzerinnen in grauen Kleidern.
Khan hat sich bewusst für ein rein weibliches Ensemble entschieden. In der Komposition von Aditya Prakash dominieren Perkussionsinstrumente. Die Musik kommt vom Band und ist unerträglich laut – einige Zuschauer*innen verlassen deswegen sogar den Saal. Choreografisch sieht man von Khan gewohntes: starker Akzent auf Hände und Arme, die langen offenen Haare der Tänzerinnen werden bei manchen Bewegungen bewusst eingesetzt. Wie auch in früheren Produktionen Khans ist alles (fast zu) perfekt durchgestylt, die Tänzerinnen herausragend und 65 Minuten pure Energie ohne einen Moment der Pause. Am Ende stellt sich so eine gewisse Überforderung ein, auch, weil man die Handlung nur bedingt nachvollziehen kann.
Lustvolles Tanzen
Ungewöhnlich, aber doch gewohnt, beginnt „Magnificat“ der kanadischen Choreografin Marie Chouinard. Zu hören ist ein Orchester beim Einspielen und Stimmen, während auf der Bühne die Tänzer*innen beim Vorbereiten zu sehen sind. Im ersten Moment wirkt es so, wie wenn der Vorhang zu früh hochgegangen wäre. Chouinard hat sich eingehend mit Johann Sebastian Bachs „Magnificat“ beschäftigt, nähert sich aber nicht unbedingt von der religiösen Seite an, auch wenn man manches Mal das Gefühl hat, dass die Tänzer*innen in Ekstase geraten, und arbeitet teilweise bewusst gegen die Musik. Die Tänzer*innen in hautfarbener Unterwäsche mit nacktem Oberkörper, tragen Kopfbedeckungen, die an einen Glorienschein erinnern. Gliedmaßen werden in den Raum gestreckt und obwohl der Blick öfters zum Himmel gerichtet wird, steht eindeutig die Lust am Tanzen im Vordergrund und nicht ein Gebet. Es ist ein erfüllendes Erlebnis, den sehr diversen ausgezeichneten Tänzer*innen zuzuschauen.
Als zweiter Teil des Abends dann „BodyremixRemix“, eine überarbeitete gekürzte Version des Welterfolgs „bODY_rEMIX/gOLDBERG_vARIATIONS“, das vor zwanzig Jahren auch bei ImPulsTanz zu sehen gewesen ist, und noch immer heutig wirkt. Chouinard verwendet unterschiedliche Gehhilfen und gibt damit einen spannenden Kommentar zur Ausreizung von Körpergrenzen im Tanz ab. Choreografisch wechseln sich so wie auch in „Magnificat“ Soli, Duos und Trios mit größeren Ensembleszenen ab. Man ist fasziniert, wie Chouinard Körper und Bewegungsabfolgen im wahrsten Sinn des Wortes remixed.
Monoton
Spannend aber irgendwie auch enttäuschend dann „13“ und „14“ sowie „16“ und „17“ des chinesischen Choreografen Tao Ye, welche im Doppelpack an zwei Abenden gezeigt wurden. Aufmerksame Leser*innen vermissen vielleicht „15“, das eine Auftragsarbeit für das Nederlands Dans Theater war und daher nicht im Repertoire des TAO Dance Theater ist. Jedem Stück liegt ein bestimmtes Thema bzw. eine Form zugrunde. In ca. 25 Minuten wird damit gearbeitet, jedoch nichts weiterentwickelt, auch energetisch fließt die Choreografie meistens am gleichen Niveau. Was anfangs spannend wirkt, gleitet dann doch rasch in eine zuweilen meditative Belanglosigkeit ab.
In „13“ steht das Verhältnis zwischen Gruppe und Einzelnen im Vordergrund. 13 Tänzer*innen bewegen sich zu minimalistischer Klaviermusik von Xiao He als homogene Gruppe in einfacher Schrittkombination über die Bühne. Aus dieser Gruppe brechen immer wieder einzelne Tänzer*innen aus, werden aber rasch wieder von der Gruppe aufgesogen. Der Kontrast zwischen Bewegung und Innehalten dominiert „14“. Die 14 Tänzer*innen bewegen sich zum mit der Zeit sehr nervenden Ticken eines Metronoms in beeindruckender Gleichheit.
Zu treibenden Disco-Beats von Xiao He bewegen sich 16 Tänzer*innen in „16“ unisono in einer langen Linie über die Bühne. Vor allem hier ist das Circular Movement System (die Körpertechnik des TAO Dance Theater) schön zu sehen. „17“ ist eine Kombination aus Bewegung und Gesang der 17 Tänzer*innen, welche Anfangs am Boden liegend singen und erst langsam in Bewegung kommen. Einzelne choreografische Motive werden von den gleichen Geräuschen bzw. Silben begleitet. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass in der scheinbaren Unordnung auf der Bühne sich die Tänzer*innen doch in einem Zusammenhang untereinander befinden.
Tänzerisch ist die Kompanie auf einem sehr hohen Niveau, vor allem in den Unisono-Teilen sieht man eine große Präzision. Hervorzuheben sind die spannenden androgynen Kostüme von Duan Ni, welche in ihrer Unterschiedlichkeit doch eine Einheit bilden. Der internationale Erfolg des Choreografen Tao Ye erklärt sich allerdings anhand dieser beider Abende nicht so ganz.
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