Die Pflicht ist erfüllt, die Kür fehlt
„Coppélia“ von Pierre Lacotte und Arthur Saint-Léon als Wiederaufnahme beim Wiener Staatsballett
1943/44 hat Viktor Ullmann im Konzentrationslager Theresienstadt die Kammeroper „Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung“ komponiert. 1944 wurden er und sein Co-Librettist Peter Kien in Auschwitz ermordet. Die Uraufführung des knapp einstündigen Werkes fand erst 1975 in Amsterdam statt.
In Atlantis herrscht der Tyrann Kaiser Overall. Als er anordnet, dass alle gegen alle Krieg führen sollen, beschließt der Tod seine Arbeit einzustellen. Was sich im ersten Moment fein anhört – wer wünscht sich nicht ewiges Leben –, entwickelt sich sehr tragisch, denn schwer kranke, verwundete oder alte Menschen können nun nicht mehr sterben, sondern bleiben an der Schwelle zum Tod stehen. Das führt zu Aufruhr unter den Menschen. Erst als sich Kaiser Overall selbst dem Tod übergibt, nimmt dieser seine Arbeit wieder auf.
In „KaiserRequiem“ verschränkt Dirigent Omer Meir Wellber die Kammeroper mit Mozarts Requiem. Musikalisch funktioniert das erstaunlich gut, allerdings wird der Handlungsbogen dadurch immer wieder stark unterbrochen. Regisseur und Choreograf Andreas Heise bewegt die Gesangssolist*innen, Tänzer*innen und den Chor. Auffallend sind hier sehr eckige, manchmal militärisch zackig anmutende Armbewegungen. Allerdings bleibt es ein musikalisches Werk, in welchem auch getanzt wird. Denn die Choreografie schafft es selten, wirklich eigenständig etwas zu erzählen, sondern untermalt oft nur die Musik. Da hilft es nicht, dass auch von den Gesangssolist*innen, besonders erwähnt seien hier Daniel Schmutzhard als Kaiser Overall und Seiyoung Kim als Harlekin, viel körperlicher Einsatz verlangt wird.
Frage des Spitzenschuhs
Dafür übernehmen die Tänzer*innen immer wieder Textteile, die im Libretto dem Lautsprecher zugeordnet sind. Der Tänzer Alexander Orlić hat als „Spital 34“ eine größere Sprechrolle, für welche Heise Text mit Bewegung verknüpft. Hervorzuheben ist, dass alle Tänzer*innen stimmlich gut geschult sind und sehr verständlich sprechen. Warum allerdings Orlić wie manche Tänzer Spitzenschuhe tragen muss, erschließt sich nicht. Auch wenn sie die Herausforderung gut meistern, so sieht man doch den Unterschied zu ihren Kolleginnen, die den Spitzenschuh seit Jahren gewöhnt sind. Verwendet wird ein neu entwickeltes modulares Spitzenschuhmodell, das in den sozialen Medien von Tänzer*innen sehr unterschiedlich rezensiert wird. Die Tänzer Gabriele Aime als Kaiser Overall und Martin Winter als Der Tod faszinieren mit ihrer ausdrucksstarken Bewegungsqualität. Allgemein ist die gute tänzerische Qualität an diesem Abend hervorzuheben.
Die teilweise androgyn wirkenden Kostüme von Sascha Thomsen sind in unterschiedlichen Grautönen mit neongrünen Akzenten gehalten, einzig der Tod ist komplett in Schwarz gekleidet, sein tänzerisches Alter Ego allerdings nicht. Allgemein ist der Bezug zwischen den Sänger*innen und Tänzer*innen mehr am Besetzungszettel als auf der Bühne zu erkennen. Thomsen begrenzt den Bühnenraum mit zwei fensterlosen Wänden aus riesigen Kuben, die teilweise geöffnet und so als kleine Bühnen eingesetzt werden können. Ein klarer Bezug zu Kaiser Overall, der im Laufe des Stückes die Textzeile „Ich habe mich mit fensterlosen Mauern umgeben“ singt. Schade, dass die Soundinstallation von Kian Jazdi den wichtigen Text des Prologs und auch zwischendurch Textteile sehr unverständlich werden lässt.
Als Fazit bleibt: Die Musik steht im Vordergrund, der Tanz ist schmückendes Beiwerk. Bei einem als Ballett angekündigten Abend sollte der Schwerpunkt umgekehrt sein oder es eine Gleichberechtigung zwischen den Künsten geben. Sieht man „KaiserRequiem“ als tänzerische Operninszenierung, so kann man ob des Inhaltes aber auch wegen der herausragenden Leistungen aller Mitwirkenden den Abend als gelungen bezeichnen und weiterempfehlen.
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