„Malditos Benditos“ von Goyo Montero, Tanz: Goyo Montero, Theo Montero

„Malditos Benditos“ von Goyo Montero, Tanz: Ensemble Staatstheater Nürnberg Ballett

Eine Ära geht zu Ende

Goyo Montero feiert letzte Premiere in Nürnberg

Am vergangenen Wochenende verabschiedete sich Goyo Montero, der Schöpfer des „Nürnberger Ballettwunders“, mit seiner Abschiedskreation „Malditos Benditos“ von seinem Publikum. Eindrücke von einer umjubelten Uraufführung.

Nürnberg, 30/06/2025

Am Samstagabend war es soweit: Im Opernhaus hob sich der Vorhang für Goyo Monteros letzte Premiere, ehe die Wege den Nürnberger Ballettdirektor nach Hannover führen. Mit „Malditos Benditos“ (Verdammte Gesegnete) endete unter langem, tosendem Applaus, was 17 Jahre zuvor mit dem Stück „Benditos Malditos“ (Gesegnete Verdammte), vielversprechend begonnen hatte. Dazwischen reihte sich Erfolg an Erfolg. Der charismatische Spanier kreierte seit seiner ersten Spielzeit 2008/2009 insgesamt 25 Uraufführungen, mit denen ihm nicht weniger gelang, als das Staatstheater Nürnberg Ballett in der internationalen Tanzszene zu etablieren. Die Rede vom „Nürnberger Ballettwunder“ machte die Runde und sollte bis zur aktuellen, mit stolzen 96 Prozent ausgelasteten Abschiedssaison nicht mehr verstummen. Mit Strawinskys Klassiker „Feuervogel“ und dem Stück „Tilt“, einer packenden Auseinandersetzung mit dem Thema Kontrollverlust, hat Montero noch einmal die gesamte Bandbreite seines Schaffens bewiesen.

 Sichtlich bewegt betrat Jens-Daniel Herzog die Bühne, nachdem der Applaus für die Compagnie und ihren Impresario halbwegs verklungen war. Montero, so der Intendant, habe das Staatstheater „geprägt wie kein anderer“. Auch wenn man mit dem Wort Ära vorsichtig sein müsse, fuhr er fort, gäbe es keine treffendere Beschreibung für Monteros langjährige Amtszeit. Kaum hatte dieser danach das Mikrofon ergriffen, brandete wieder Jubel im Publikum auf, das schon längst nichts mehr auf den Sitzen hielt. Der Ballettdirektor, der es sich zum Abschied nicht hatte nehmen lassen, noch einmal selbst mitzuwirken und daher noch seine schwarze Tanzkleidung trug, bedankte sich zunächst dafür, dass er in Nürnberg seine Träume leben und realisieren durfte.

Dann wurde er konkret. Er erinnerte an seinen verstorbenen Vater, mit dem er früher selbst gemeinsam auf der Bühne gestanden hatte und der nun „von oben“ herabschaue. Anschließend verneigte er sich vor seiner Mutter und schließlich vor dem gesamten Haus. Angefangen von dem ehemaligen Intendanten Peter Theiler, der den Novizen auf dem Posten eines Ballettdirektors einst nach Nürnberg geholt hatte, über dessen Nachfolger Jens-Daniel Herzog, der ihm in dieser Spielzeit mit der „Zauberflöte“ seine erste Operninszenierung ermöglicht hatte, bis hin zu allen Theatergewerken. Schließlich vor seinen Tänzern und Tänzerinnen mit ihrer Energie, Freude und Leidenschaft. Die 300 Stühle, aus denen in der vorangegangen einstündigen Inszenierung das Bühnenbild bestand, sollten alle Menschen symbolisieren, die über fast zwei Jahrzehnte zu der hohen Anerkennung beigetragen haben. Für den mehrfach ausgezeichneten Montero gipfelte sie zuletzt in der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens.

Der 1975 in Madrid geborene Ballettchef hätte es sich zum Abschluss leicht machen und ein Best-Off zeigen können. Zwar spielt „Malditos Benditos“ in 16 von Gedichten des Liedermachers Joaquín Sabina zusammengehaltenen Szenen auf frühere Stücke von „Black Bile“ über „Don Quijote“ und „Monade“ bis zu „Steppenwolf“ an. Doch Montero hat sie bis auf zwei Ausnahmen vollkommen neu choreografiert. Noch einmal wurde deutlich, was seine Arbeit auszeichnet. Hier die detailverliebte Raffinesse der Soli und Duette, die diesmal in unterschiedlichen Zeigefinger-Gesten mündeten: Mal nach vorne gestoßen wie die Spitze einer Waffe, mal vor den Körper gehalten und energisch hin und her gewedelt als Zeichen eines heftigen „Nein“ und mal nach oben gereckt, möglicherweise als Verweis auf eine höhere Macht. Dort ergreifende Gruppenchoreografien mit spezifisch wellenartigem Auseinanderstreben und wieder Zueinanderfinden der Tänzer und Tänzerinnen. Überflüssig zu erwähnen, dass all dies hohe Anforderungen an Athletik, tänzerische Leichtfüßigkeit und künstlerische Ausdruckskraft stellt.

Montero hat es aber auch dem Publikum nie einfach gemacht, was „Malditos Benditos“ noch einmal eindrücklich vor Augen führt. Wie in allen seinen Inszenierungen werden auch diesmal wieder existentielle Themen aufgerufen: Einsamkeit und Melancholie, Liebesglück und Liebesleid, Krankheit und Tod. Unterlegt mit klassischer Musik von John Dowland, Bach, Beethoven und Schubert, aber auch von großen Geschichtenerzählern wie Tom Waits oder Bob Dylan. Und natürlich von den mächtigen Elektro-Kompositionen des Kanadiers Owen Belton, die dieser von Anfang an für Montero schuf. Die große Akzeptanz des begeisterten Publikums widerlegt all jene, die meinen, dieses möchte nicht ständig mit anspruchsvollen Themen konfrontiert werden. 

Die einzigartige Abschiedskreation endet mit einem bewegenden Duett. Monteros junger Sohn erscheint auf der Bühne und stimmt das Lied „Im Dorfe“ aus Schuberts „Winterreise“ an, während der Choreograf sich dazu sanft und nachdenklich über die Bühne bewegt. Bis schließlich die Compagnie aus dem Schatten tritt und man gemeinsam einen eng umschlungenen Kreis bildet. Licht aus. Beifallsstürme!

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