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„FUN PARK – it (still) is what it is“ von HARTMANNMUELLER am tanzhaus nrw
Von Charlotte Spahn
Der Duft von frischem Popcorn liegt in der Luft. Wir dürfen uns bedienen. Oder darf es – den Außentemperaturen entsprechend – doch lieber ein Eis aus der guten alten Schöller-Truhe sein? „Extremen Genuss“ und „maximale Unterhaltung“ verspricht die Stimme des Audiokommentars schon im Foyer. Die gute Laune ist spürbar, als sich die Zuschauenden in die Schlange zum Eintritt in den FUN PARK stellen.
Auf der Bühne dann ein harter Schnitt ins Kontrollzentrum: Graue dampfende Lüftungsrohre, grelles Neonlicht. Redbull-Dosen stapeln sich in einer Ecke. Am Controller-Tisch sitzt Clark in einem schwarzen Overall vor einer blinkenden Überwachungslage. Und der so groß angekündigte FUN PARK ist nur in krisseligen Schwarzweiß-Überwachungsbildern auf einem Monitor zu erahnen ...
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist FUN PARK
Eine Spionage-Spiegelfolienwand trennt das Publikum von den beiden Akteuren Bruce und Clark. Sie können uns nicht sehen, wie uns die allwissende Stimme aus dem Off (Fabian Schulz) wissen lässt, aber wir beobachten ihren Alltag. Anfangs hat es noch den Anschein, als würden die Zwei selbstbestimmt handeln und die Stimme nur das kommentieren, was geschieht. Aber bald wird klar, dass die beiden gar keine Kontrolle haben – weder über ihre Handlungen noch über ihre Emotionen und Körper. Wie Marionetten tanzen sie mal in Normalgeschwindigkeit, mal in Slow Motion einen Wiener Walzer auf Drehstühlen. Die schnell wechselnde Musik zwischen Horrorfilm und Schlager treibt das groteske Spiel auf die Spitze. Man sprüht sich gegenseitig mit Axe Deo ein, wechselt die Rollen, tauscht Zärtlichkeiten aus, kämpft miteinander.
Das seit 2021 spitzengeförderte Kunstkollektiv HARTMANNMUELLER alias Simon Hartmann und Daniel Ernesto Mueller choreografiert und performt seine neue Arbeit als Selbstzitat in Referenz zu dem 2015 entstandenen Stück „it is what it is“. Wiederzuerkennen sind Elemente einer minimalistischen Choreografie über Isolation und Routinen sowie ein Spiel mit der zerstörerischen Kraft der Wiederholung. Typisch für HARTMANNMUELLERs Arbeitsweise ist eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor. Jede Körperlichkeit ist so präzise und detailgenau gearbeitet wie in einem Film.
In „FUN PARK“ stellen sie sich neue Fragen: Clark und Bruce – zwei ehemalige Superhelden – sind auf Sinnsuche nach der eigenen Relevanz in einer Welt, in der sie eigentlich nicht mehr gebraucht werden. Dabei überdeckt das Spiel mit den konventionellen Mustern und Rollen, dass die (Handlungs-)Macht längst bei jemand anderem liegt ...
Burnout Beach
Der Abend verhandelt das Spannungsverhältnis von Kontrolle und Freiheit. Liebevoll detailliert zeichnen HARTMANNMUELLER ihre Figuren, die gefangen sind im sich ewig weiterdrehenden Rad sich wiederholender alltäglicher Verhaltensweisen und Aufgaben, die eigentlich nur noch dazu da sind, den Besucher*innen des „FUN PARK“ Ablenkung von ihrem Alltag zu ermöglichen. Die Performance ist unterhaltsam, aber diese Unterhaltung hat einen bitteren Beigeschmack: Es ist der Geschmack von Realität. Die Spannung baut sich vom Eis im Foyer über das ganze Stück langsam auf und enthüllt nach und nach mehr der Strukturen hinter dem so freundlich wirkenden „FUN PARK“. Clark und Bruce nehmen uns mit auf ihre Fahrt der Achterbahn der Gefühle, auf der sich die Frage, was echt und was manipuliert ist, kaum noch stellt – das Spektrum reicht von Belustigung über Mitgefühl bis hin zur Irritation. Am Ende bleibt das Publikum ernsthaft irritiert doch lieber noch einen Moment sitzen, ehe es sich etwas zögerlich in die eigene vermeintliche Freiheit hinauswagt.
Dieser Text entstand im Rahmen des Projekts „Bewegungsmelder – Nachwuchswerkstatt für Tanzjournalismus aus NRW“, einer Kooperation von tanznetz mit dem Masterstudiengang Tanzwissenschaft des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz (ZZT) an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und dem nrw landesbuero tanz.
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