„umuko“ von Dorothée Munyaneza 

Ein Ruanda der leiseren Töne

Dorothée Munyaneza beim Theater Spektakel in Zürich

In „umuko“ verbindet sich westeuropäische Bühnenkunst gekonnt mit zentralafrikanischer Tradition. Eine berührende, poetische Begegnung zwischen gestern und heute.

Zürich, 19/08/2025

Der Titel des Stückes „umuko“ ist einem mythischen Baum mit leuchtend roten Blüten gewidmet, der in Ruanda heimisch ist. Mit ihm verbindet Dorothée Munyanesza ihre eigene Biografie, die Frage nach Identität und kulturellem Erbe. Ihr Schaffen weist gleichzeitig über die Gegenwart hinaus. Für dieses Stück hat sie mit fünf jungen Musikern und Tänzern zusammengearbeitet und mit ihnen ein ergreifendes Porträt ihres Landes geschaffen, eine gelungene Beziehung zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Das Stück beginnt im Dunklen, eine sanfte, melodiöse Männerstimme ist zu hören, dazu die feinen Töne eines traditionellen Zupfinstruments. Ein weiterer Sänger tritt in den musikalischen Dialog mit ein. Den Rhythmus dazu erzeugt ein dritter Musiker, energisch stampfend mit lauten Rasseln an den Fussgelenken. Noch zwei tanzende und singende Künstler stimmen in einer Art Body Talk mit ein – Gesang, Bewegung, Musik und Lyrik vereinen sich. Die feuerroten Gewänder der Performer symbolisierten die roten Blüten des „umuko“. 
 

Perfekte Isolationen und fluide Bewegungen

Wer ein „mitreißendes“ Tanzstück, so das Programmheft, erwartet, mag etwas verwundert oder gar enttäuscht sein. Wer sich aber auf diese poetische und anrührende Performance einlässt, gerät in den Bann einer aussagekräftigen, persönlichen und sehr klug aufgebauten Darbietung. Die feinen, an traditionelle Rituale erinnernden Gesten vermischen sich mit zeitgenössischen Tanzformen. Faszinierende, weit gespreizte Isolationen und fluide Bewegungen erzeugen eine eigene Dynamik. Unnachahmlich die Sprünge, wenn die Tänzer wie Federn in die Höhe abhoben. Die Intensität, mit der sich die multidisziplinären Künstler der Aufgabe widmen, berührt.  

„umuko“ folgt keiner kohärenten Geschichte, es sind Szenen, die sich beinahe mühelos aneinanderreihen. Munyaneza lässt den virtuosen Künstlern genügend Freiheit, hält aber in der Gesamtchoreografie und Regie die Zügel in der Hand. Sanfte Übergänge, einzelne Momente, wenn zum Beispiel die Künstler wie starre Totenmasken nur von oben mit einem Lichtkegel beleuchtet werden, bestätigen ihr beeindruckendes und vielseitiges bühnenkünstlerisches Können. Eindrücklich in Erinnerung bleibt eine Szene, in der die Männer sich zusammen in einer Reihe bewegen und dazu vielstimmig und polyrhythmisch in die Hände klatschen. Sie intonieren Synkopen mit den Händen und Füßen gleichzeitig und fünffach – ein Schau- und Hörspiel der ganz besonderen Art. 
 

Traditionelle und zeitgenössische Stile verschmelzen

Neben Tanz und Gesang beherrschen die noch jungen Künstler eine Vielzahl von traditionellen ruandischen Instrumenten wie die virtuos gespielten Trommeln (ingoma), die aus einem ausgehöhlten Baumstamm geschnitzt und mit einfachen, hölzernen Drumsticks geschlagen werden. Der Perkussionist erzeugt damit ein berauschendes Vibrato. Daneben erklingen die feinen Töne einer Flöte, eines Saiteninstruments (inanga) oder einem Daumenklavier (Kalimbo).

Etwas abrupt ertönt lauter Techno-Pop-Sound aus Lautsprechern. Obwohl dieser Stil und die dazu gehörenden Bewegungen nicht ganz zu ihnen passen, schaffen es die vielseitigen Künstler mit Anmut, traditionelle und zeitgenössische Musikstile und Tanzbewegungen zu verschmelzen. Das ist das Geheimnis der Kunst vieler afrikanischer Länder: sie ist eine lebendigte Kunst, die auch neue Strömungen aufnehmen kann. 


Ergreifendes Konzert

Wehmut ist spürbar in der Aufführung, die Sehnsucht nach der Heimat, der Jugend, der Vergangenheit und gleichzeitig die freudige Erwartung der Zukunft. Gegen Schluss dann doch die (von manchen Zuschauer*innen erwartete) Steigerung der Dynamik, also der alle mitreißende Gruppentanz. 

Zwei der Künstler, Impakanizi und Jean-Patient „Nkubana“ Akayezu, gaben zwei Tage später ein ergreifendes und gefeiertes einstündiges Konzert im Freien. Sprache, Rhythmus, Tanz, Gesang und Musik schufen eine einzige, lebendige Dynamik. Sie sangen und spielten Lieder, die von „Schönheit, Widerstand und dem Leben erzählen“. Sensibel und doch lebensfreudig ließen sie ihr ruandisches Erbe aufleben. Sie schufen eine Begegnung mit dem Publikum wie in vielen Ländern Afrikas, wo Musik und Tanz etwas Gemeinschaftliches ist, das man zusammen teilt und das zusammenhält. 

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