„Mrs.Robinson“ von Cathy Marston, Tanz: Yun-Su Park (Mrs. Robinson), Ensemble

Emanzipiert

Das Ballett Zürich mit „Concerto“ von Kenneth MacMillan, „Mrs.Robinson“ von Cathy Marston und „Colorful Darkness“ von Bryan Arias

„Countertime“ als Triple Bill wurde zur Premiere bejubelt. Alle drei Stücke haben einen Bezug zu den 1950er und 60er Jahren.

Zürich, 13/05/2025

Kenneth MacMillan kreierte „Concerto“ 1966 zu Schostakowitschs 2. Klavierkonzert (1957). Cathy Marstons „Mrs. Robinson“ erinnert an den Kultfilm „Die Reifeprüfung“ von 1967. Bryan Arias hat „Colorful Darkness“ zu Leonard Bernsteins „Symphonic Dances“ (1960) choreografiert.

Das Handlungsballett „Mrs. Robinson“ (2022) bildet das Herzstück des dreiteiligen Programms. Eher ein Leichtgewicht, aber sprudelnd von tänzerischen Einfällen. Im Film verführt die reife, verheiratete Mrs. Robinson den noch unerfahrenen Benjamin. Sie beginnen eine Affäre – doch dann verliebt sich Ben in Elaine, die Tochter seiner Geliebten. Mama ist eifersüchtig auf sie, verkuppelt sie mit einem anderen. Als dieses Paar in der Kirche heiraten will, rennt Benjamin dazwischen und entführt Elaine. Am Schluss sitzen die beiden etwas belämmert da, so verliebt wie ratlos.

Cathy Marston und ihr Mitarbeiter Edward Kemp haben die Filmstory gestutzt – sie lassen die ganzen Heirats- und Entführungsgeschichten weg. Die Figur der Mrs. Robinson dagegen wird aufgewertet: Im Unterschied zum Film verfällt sie nicht dem Wohlstands-Elend, sondern verlässt Haus und Ehemann, schreitet durchs weiße Gartentor, das sich in der grünen Hecke ihres Heims aufgetan hat, ins Ungewisse (Bühnenbild und Kostüme: Patrick Kinmonth). Sie wird sich wohl nicht den Feministinnen anschließen, die Betty Friedans Bestseller „Der Weiblichkeitswahn“ (1963) gelesen haben, aber doch ein sinnvolleres Leben suchen.

Anständige Hausfrauen

Marstons Choreografie ist plastisch, pfiffig, lustig, hat mit dem Emanzipationsthema auch ein bisschen Tiefgang. Was sie inhaltlich an der Story weglässt, ersetzt sie durch originelle Details im Tanz. Die dankbaren Rollen werden von den Tänzer*innen voll ausgekostet. Die Damen beim Fest der Robinsons bewegen sich krampfhaft auf Spitze. Einige tragen Schürzchen über den Sommerkleidern, weil sie anständige Hausfrauen sein wollen. Nur Mrs. Robinson (als Gast: Yun-Su Park) ist sexy gestylt, trägt ein schwarz-goldenes Kleid und verführerische Unterwäsche. Sie zieht die schwarzen Strümpfe hoch, präsentiert ihre schönen Beine, umschlingt den jungen Mann damit. Die Tänzerin verkörpert diesen Part glaubhaft-attraktiv, aber auch mit einer gewissen Melancholie.

Die quirlige Elaine (Nehanda Péguillan) kommt auf Halbspitze daher, ihre Freund*innen tanzen auf flachen Sohlen oder barfuß. Sie tragen bunt zusammengewürfelte Outfits, lassen an die kommende Hippiezeit denken.

Lucas von Rensburg, der noch dem Junior Ballett angehört, gibt die Rolle des Benjamin. Dieser reagiert zuerst abwehrend auf Mrs. Robinsons Verführungskünste, dann zunehmend erregt bis dominant. Bis hin zu angedeuteten Sex-Szenen. In der neuen Liebe zu Elaine gewinnt Ben an Natürlichkeit; seine Tanzbewegungen werden immer lockerer und vergnügter.

Der Song „Mrs. Robinson“ von Simon & Garfunkel hat Marstons Ballett den Titel gegeben. Anders als im Film spielt das Musik-Duo hier aber keine Rolle mehr. Dafür hat der englische Komponist Terry Davies einen neuen Soundtrack kreiert. Mit aparter Instrumentation, Saxofon für Mrs. Robinson und akustischer Gitarre für die jungen Leute. Die Philharmonia Zürich spielt virtuos und mit hörbarem Spaß. Der Holländer Robert Haussart ist ihr ein beschwingter Dirigent, der seinen Elan den ganzen Abend hindurch bewahrt.

Lupenreiner neoklassischer Tanz

Am Anfang tanzt das Ballett Zürich „Concerto“ (1966) von Kenneth MacMillan. Kein typisches Stück des schottischen Choreografen, der vor allem emotionsbeladene abendfüllende Ballette wie „Manon“ oder „Mayerling“ geschaffen hat. Sein „Concerto“ bietet lupenreine abstrakte Neoklassik. Sie wird von den Tänzer*innen, die längst an zeitgenössische Vielfalt gewohnt sind, mit bewundernswerter Perfektion getanzt. 

Die Choreografie folgt aufbau- und stimmungsmäßig dem 2. Klavierkonzert von Schostakowitsch, das von der Pianistin Kateryna Tereshchenko am Flügel im Orchestergraben so locker wie intensiv gespielt wird. 

Der erste Satz vor weißer Rückwand wirkt wie ein Defilee von tänzerisch hochbegabtem Nachwuchs. Nancy Osbaldeston und Charles-Louis Yoshiyama tanzen dazu einen vielfältigen Pas de Deux. Im 2. Satz erscheint der Hintergrund dunkelblau, mit einer leicht verschleierten Sonne – oder ist es der Mond? Jetzt ist romantische Stimmung da, dazu tanzen die Solist*innen Max Richter und Brandon Lawrence einen langen, innigen Pas de Deux von großer Schönheit. Im 3. Satz verschieben sich Gruppenformationen diszipliniert über die Bühne, während die Tänzerin Sujung Lim sich lebhaft zwischendrin bewegt. Das Gestirn an der Wand hat sich inzwischen in Dunst aufgelöst. 

Masken und Karneval in Puerto Rico

Sehr speziell ist der Bezug von Musik und Tanz im letzten Stück des Programms, „Colorful Darkness“ zu Leonard Bernsteins „Symphonic Dances“. Der junge Choreograf Bryan Arias, geboren in Puerto Rico und aufgewachsen in New York, bietet ein buntes Patchwork von äußerst farbigen und vitalen Szenen, bei denen die Tänzer*innen sich scheinbar nach Lust und Laune austoben können. Da wird weit gesprungen, über den Boden geglitten, Rad geschlagen, einzeln, aber auch in synchronen Gruppen. Zeitgenössischer Tanz mit viel Jazz-Einschlag, oft halsbrecherisch. Am Schluss stemmt ein Tänzer seine entfesselte Partnerin mit einer Hand senkrecht in die Luft, Füße voran. 

Bühnenbild und Lichtgestaltung stammen von Lukas Marian, die rüschenbesetzten, knallbunten Kostüme von Bregje van Balen. So sieht Karneval in Puerto Rico aus, sagt Arias. Manchmal tauchen zwischen den Tänzer*innen unheimliche maskierte Gestalten auf: Sie spielen die Rolle von sogenannten Vejigantes, massiven Symbolen für den Kampf zwischen Gut und Böse.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern