„Für ihr bedeutsames Engagement“
Am Wochenende wird explore dance, das bundesweite Netzwerk Tanz für junges Publikum, mit dem Deutschen Tanzpreis geehrt, und Claudia Roth gratuliert
Münchner Verein „Fokus Tanz | Tanz und Schule e.V.“ auf deutschlandweitem Erfolgskurs
18 Jahre hat „Fokus Tanz“ bereits auf dem Buckel und wurde in den vergangenen Monaten vielfach für seine ‚Volljährigkeit‘ gefeiert und zelebriert. Im Jahr 2006 wurde der Münchner Verein von Simone Schulte-Aladag, Anja Brixle und Andrea Marton als „Tanz und Schule“ gegründet – als Kooperation der Münchner Initiative „ACCESS TO DANCE – TANZPLAN MÜNCHEN“ und erhält bis heute Fördermittel des Kulturreferats der Landeshauptstadt München, von „Tanzpakt Deutschland“ und dem BLZT. Längst hat „Fokus Tanz | Tanz und Schule e.V.“ den zeitgenössischen Tanz auch in Kitas und in außerschulische Kontexte gebracht, als Performances für junges Publikum, als aktives Tanzprojekt oder als eine der vielfältigen Interventionen „dazwischen“ und darüber hinaus. Tanz für alle, lautet das Motto, dem sich der Verein im Herzen Schwabings mit ganz viel Hingabe und Herzblut verschrieben hat, was diesem in Vergangenheit bereits große lokale und bundesweite Anerkennung einbrachte – und das ist auch gut so!
Tanz für alle
18 Jahre „Fokus Tanz“. Das heißt ungezählte Tanzprojekte, Workshops, Fortbildungen, Probenbesuche von aberhunderten von Kindern aus dem urbanen und ländlichen Raum, denen es ermöglicht wurde, in die Welt des zeitgenössischen Tanzes einzutauchen und sich selbst darin neu zu entdecken – ein Aufheben sozialer Barrieren mit und durch Tanz. Tanz für alle ist hier ganz buchstäblich gemeint: Es soll und darf nicht darum gehen, welcher Herkunft ein Kind ist, aus welcher Bildungsschicht dieses kommt, wo sich sein Wohnort befindet oder ob sich seine Eltern eine Tanzvorstellung oder einen Tanzkurs leisten können. Jedem Kind sollte die Teilhabe an kulturell-ästhetischer Bildung im Bereich Tanz ermöglicht werden, und dies gilt es als eine essentielle und selbstverständliche kulturpolitische Aufgabe anzusehen und nach Kräften zu fördern, so das hochgesteckte Ziel, dem das Leitungsteam bereits wesentliche Schritte entgegengegangen ist.
Eine enge Zusammenarbeit hegte „Fokus Tanz“ im ersten Jahrzehnt mit CAMPUS Staatsballett, woraus zahlreiche überaus erfolgreiche Projekte entstanden sind: Noch im Gründungsjahr 2006 wurde das Erfolgsprojekt „Anna tanzt“ mit dem Münchner St. Anna Gymnasium und einer Förderklasse der Schule an der Herrnstraße initiiert, gefolgt von vielen weiteren Editionen. Jahr für Jahr stürmten hierfür über 130 Achtklässler über den ganzen Juli hinweg die Probenräumen des Bayerischen Staatsballetts am Platzl 7 und wechselten ihr Klassenzimmer und ihr Schreibpult mit Ballettsaal samt Ballettstange und Schwingboden. Ein Heidenspaß und ein echter Kraftakt – für Schüler*innen, Lehrende und Probenleitungen gleichermaßen! Gemeinsam schwitzen, sich gegenseitig anfeuern, über Grenzen gehen und am Ende der mühseligen doch großartigen Wochen gemeinsam vor Publikum eine Hochglanz-Vorstellung geben. Für fast alle Jugendlichen ein nicht nur einmaliges, sondern auch erstmaliges Erlebnis! Eines, das Leben verändernd sein kann – immer wieder kam uns dies zu Ohren.
Im Jahr 2010 schließlich gründeten die beiden Initiatorinnen von „Anna tanzt“ und später dem nicht minder erfolgreichen Folgeprojekt „Heinrich tanzt“ mit dem Neuperlacher Heinrich-Heine-Gymnasium, Simone Schulte-Aladag und die damalige CAMPUS-Chefin und Stellvertretende Ballettdirektorin Bettina Wagner-Bergelt das biennale Festival „THINK BIG!“ für junges Publikum. Lag der Schwerpunkt von Beginn auf Tanz und Performance, erweiterte sich das Spektrum seit der engen Kooperation mit der Schauburg, dem Städtischen Theater für junges Publikum in München, auch auf Produktionen aus dem Bereich Musiktheater. Diesen Sommer wird zwischen dem 5. bis 14. Juli bereits die 10. Jubiläumsedition des überaus populären Festivals begangen, das einen festen Platz in der Münchner Kulturszene hat – und das übrigens für alle Altersklassen und nicht nur für Kids! Mit dabei beim Festival waren von Anfang an hochkarätige nationale und internationale Tanzkünstler*innen wie etwa die belgische Company „ROSAS – Anne Teresa de Keersmaeker“, die niederländische Truppe „The100Hands“ oder renommierte Münchner Tanzschaffende wie beispielsweise Ceren Oran, Anna Konjetzky oder Moritz Ostruschnjak, die für die hohe Qualität und Wertigkeit des Festivals einstehen.
Es wundert kaum, dass so viel persönlicher Einsatz und Enthusiasmus auch offizielle Anerkennung findet und finden muss – erst im November konnte „Fokus Tanz“ den Schwabinger Kunstpreis 2023 entgegennehmen. Seit seiner Gründung im Jahr 1961 war hiermit – so unfassbar wie es ist – erstmals die Sparte Tanz mit dem Preis bedacht worden, was damit eine besondere Ehre für das engagierte Leitungsteam darstellt. In der Begründung der Jury hieß es: „Die ästhetische und strukturelle Entwicklung der Tanzkunst für junges Publikum setzt aus Schwabing heraus Maßstäbe.“ Simone Schulte-Aladag betont, dass sie sich besonders über diese Ehrung freue, da sie Zeichen einer – hart errungenen – gewissen Gleichberechtigung des Tanzes mit seinen Schwesterkünsten wäre: „Der Tanz ist weiterhin bundesweit immer noch strukturell und finanziell deutlich schwächer aufgestellt als andere Sparten und daher auch weniger sichtbar.“ Eine Schieflage im System gegen die mit vereinten Kräften entschieden gegengewirkt wird.
Netzwerk „explore dance – Tanz für junges Publikum“
Vereinte Kräfte heißt es für „Fokus Tanz“ vor allem seit dem Jahr 2008, da der Münchner Verein seither Partner des Tanznetzwerks „explore dance“ ist; gegründet als kooperatives Projekt der zunächst drei Partner fabrik moves Potsdam, K3 | Tanzplan Hamburg und Fokus Tanz | Tanz und Schule e.V. Im Jahr 2023 konnte mit Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste in Dresden schließlich der vierte renommierte Partner gefunden werden. Eine bedeutende Anerkennung erhielten die Macher*innen von „explore dance“ nun bereits im Jahr 2019 anhand der Auszeichnung des Perspektivpreises des „Faust“, dem Deutschen Theaterpreis des Deutschen Bühnenvereins, der die bedeutende Arbeit der Tanzschaffenden hiermit entschieden würdigte. Gefördert von Bundesmitteln – hier dem „Tanzpakt Stadt – Land – Bund“ – galt es den Initiatoren von „explore dance“ gemeinsam eine kulturelle Lücke zu füllen, professionelle Tanzstücke für ein junges Publikum zu produzieren und mit diesen nicht nur in die einzelnen beteiligten Bundesländer zu gehen, sondern Partizipation und Teilhabe bundesweit und flächendeckend zu ermöglichen: Über 28 Tanzproduktionen – darunter 9 für die Theaterbühne und 19 interdisziplinäre wie auch partizipative Pop Up-Produktionen sind in diesen vergangenen fünf Jahren realisiert worden, wobei dank der mobilen Produktionen letztlich jeder Raum zum Tanz- und Bühnenraum werden konnte: Ob Schulraum, Aula oder Turnhalle – ob Atelier, kulturelle Begegnungsstätte oder öffentlicher Raum, jeder Raum ließ und lässt sich zum Bühnenraum niederschwellig, zugänglich und unkompliziert umfunktionieren. Unglaubliche über 400 Vorstellungen gingen auf diese Weise über die Bühne – im In- und Ausland. Darunter auch das von „explore dance“ produzierte Stück „Schwanensee in Sneakers“ der beiden Künstlerinnen Anna Till und Nora Otte, das Februar 2024 zur Tanzplattform Deutschland 2024 nach Freiburg eingeladen worden war – ein weiterer Meilenstein.
Deutscher Tanzpreis 2024 – für die Zukunft des Tanzes
Ganz aktuell konnte die 2023 auslaufende zweite Förderphase von „explore dance“ – das sich mit leichtem Augenzwinkern als „bundesländerübergreifendes dezentrales Tanzhaus für junges Publikum“ versteht – nun auch fürs Kalenderjahr 2024 gesichert werden, und es wurden fünf neue Produktionen als Uraufführungen im Pop Up-Format angekündigt. Bis zu 300.000 Euro Fördermittel werden „explore dance“ mit dem Beschluss des Bundeshaushalts 2024 zur Verfügung gestellt werden. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, handelt es sich bei den Angelegenheiten von „explore dance“ doch um ein bundesweites Thema, das neben Sichtbarkeit und Zugänglichkeit auch dringend Kontinuität, Langfristigkeit und Planungssicherheit benötigt.
In München kann man sich besonders auf das südkoreanische Duo Jihun Choi und Jin Lee – das Kollektiv ZINADA –, freuen, das im Rahmen der Förderung gemeinsam eine Performance für junges Publikum ab 8 Jahren erarbeiten wird: „Wind und Wand“, kurz WUW, als Metapher für ambivalente Eltern-Kind-Beziehungen.
Als deutlichstes Zeichen der enormen Strahlkraft von „explore dance“ muss nun ganz aktuell jedoch die Ehrung für herausragende Entwicklungen im Tanz des Deutschen Tanzpreises 2024 für das Partner-Netzwerk gelten – womit die Verantwortlichen endgültig im Tanzolymp angekommen sind und Tanz für junges Publikum aus jeglichem vermeintlichem Nischendasein geholt haben. Denn, so ist man sich von Dresden bis Hamburg und von Potsdam bis München und weit darüber hinaus gewiss: Beim jungen Publikum handelt es sich eben keineswegs um das nur vielgenannte „Publikum von morgen“, sondern definitiv bereits um das Publikum von heute. Mit diesem sollte schon hier und jetzt gemeinsam die Zukunft und Gegenwart des Tanzes diskutiert und künstlerisch gestaltet werden. Dass dies die Juror*innen des diesjährigen Deutschen Tanzpreises ebenso sehen, ist ein überaus wichtiges Zeichen mit enormer und überregionaler Signalwirkung:
Heute ist morgen – morgen ist heute.
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