„Feuervogel“ von Maurice Bejart

„Feuervogel“ von Maurice Bejart: Ensemble

Eine halbherzige Hommage

Ballettabend zu Maurice Bejart an der Pariser Oper

Die Kompanie der Pariser Oper zeigte drei großartige Stücke des Choreografen, allerdings in unausgeglichenen Besetzungen.

Paris, 26/05/2023

Maurice Béjarts Choreografien wurden in den letzten Jahren selten an der Pariser Oper aufgeführt – umso erfreulicher war es, in einem Béjart-Ballettabend in der Opéra Bastille zu sehen, dass seine Stücke immer noch begeistern können. Allerdings war die Hommage an den Choreografen, der zeitlebens eng mit der Kompanie verbunden war, halbherzig angelegt: drei Stücke von jeweils etwa 20 Minuten durch ebenfalls zwanzigminütige Pausen getrennt, wodurch man – bei Kartenpreisen von bis zu 165 Euro – auf eine knappe Stunde Tanz kommt. Zudem machte die Besetzung der Ballette in der Kompanie, der es derzeit an erstklassigen männlichen Solisten mangelt, einige Probleme. Dies ist umso bedenklicher, da die Wirkung der ausgewählten Stücke stark von der Fähigkeit der Tänzer abhängt, der Choreografie durch ihre Persönlichkeit und Ausdruckskraft Leben und Sinn einzuhauchen. Dies liegt weniger in den Schritten der Tänzer*innen begründet, sondern in ihrer Fähigkeit den Werken durch ihre Persönlichkeit und Ausdruckskraft Leben und Sinn einzuhauchen.

Das in Paris am seltensten gezeigte Stück des Abends war „Le Chant du Compagnon Errant, das Béjart 1971 für Rudolf Nurejew und Paolo Bertoluzzi schuf. Im Vergleich zu den drei ausgezeichneten Aufführungen des Balletts bei den Patrick Dupont-Galas vor einigen Monaten, fehlte es dem Tanz von Florent Mélac und Audric Bezard, trotz der eleganten Linie und des flüssigen Stils beider Solisten, an Seele und Bedeutung. So wurde das Ballett zu einer Abfolge schöner Schritte, und nur die Stimme des Baritons Samuel Hasselhorn, der unter der Leitung von Patrick Lange Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellenvortrug, erzählte berührend von Leidenschaft, Freude und Schmerz.

Auch der „Bolero“ aus dem Jahr 1961 wollte sich an diesem Abend nicht zu den dramatischen Höhen aufschwingen, die man in diesem Paradestück der Kompanie gewöhnt ist. Die Spannungssteigerung in Maurice Ravels Musik fand zwar darin ein Echo, dass immer mehr männliche Corps de Ballet-Tänzer sich um den runden Tisch scharten, auf dem die Zeremonienmeisterin Amandine Albisson sich rastlos bog und wogte, doch blieb letztere bis fast ganz zum Schluss reserviert, so dass es ihr nur bedingt gelang, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Auch ließ sie wenig von der Sinnlichkeit spüren, die von Musik und Choreografie suggeriert wird.

Glücklicherweise begann der Abend mit einer exzellenten Aufführung von Béjarts „Feuervogel aus dem Jahr 1970, der seit zu vielen Jahren vom Spielplan der Kompanie verschwunden war. Béjart entledigte sich der Handlung des ursprünglichen Balletts von Michel Fokine, in dem ein Prinz mithilfe des Feuervogels eine Prinzessin aus den Fängen eines bösen Zauberers befreit. In Béjarts Werk sieht man stattdessen eine Gruppe von Partisanen; einer unter ihnen verwandelt sich in den Feuervogel, der die Gruppe beschützt, einer Gefahr erliegt und schließlich, emporgehoben von Phönix, wiederaufersteht. In der Hauptrolle des Stückes, das Béjart für den kürzlich verstorbenen Startänzer Michael Denard schuf, war an diesem Abend Mathieu Ganio zu sehen, der das Ballett in seinem vollen Glanz erstrahlen ließ. Er vereinte die Leichtigkeit des Feuervogels mit der Seelentiefe des Beschützers, der sich für die Gemeinschaft opfert, und schien – vor allem an diesem recht erdgebundenen Abend – tatsächlich aus einer anderen Welt. Man kann nur hoffen, dass das Ballett der Pariser Oper unter der vielversprechenden Direktion von José Martinez bald wieder durchgehend ein solches Niveau erreichen wird.

Besuchte Vorstellung: 25.05.23

www.operadeparis.fr

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