Béjart: lebendiger denn je

Hommage an Maurice Béjart an der Pariser Oper

Paris, 05/01/2009

Ein Jahr ist Maurice Béjart nun tot – und die Pariser Oper feierte ihn in einem Abend, der drei schon ältere Werke des Choreografen vereint, „Serait-ce la mort?“ („Ist dies etwa der Tod?“), „Feuervogel“ und „Sacre du Printemps“.

Von diesen Stücken wirkt „Sacre du Printemps“, mit dem Béjart 1959 seinen choreografischen Durchbruch erreichte, am historischsten: das damals revolutionäre Werk, das Strawinsky sich jahrelang weigerte anzusehen – er hatte gehört, dass das Opfer am Ende durch einen wilden Liebesrausch aller Beteiligten ersetzt worden war – besticht noch heute durch die originellen, teilweise gewaltigen Gruppenformationen und die pulsierende Energie, die es durchströmt, doch zieht sich das Werk vor allem gegen Ende in die Länge. Dennoch kann man sich der Wirkung des Stückes kaum entziehen, vor allem wenn es mit solcher Überzeugung getanzt wird wie hier an der Pariser Oper: Das exzellente Corps de ballet bildete Linien, Kreise und Haufen, innerhalb derer es mit ameisen- oder raupenähnlicher Präzision wimmelte, stampfte und sprang. In den Solistenrollen der beiden Auserwählten sah man an jenem Abend zwei jüngere Tänzer des Corps de ballet, Alice Renavand und Nicolas Paul. Wird die Rolle des Erwählten sonst oft einem besonders starken und charismatischen Tänzer anvertraut, so war Nicolas Paul tatsächlich der von Angst geschüttelte Schwächste des Stammes, den die Choreografie zu verlangen scheint – wird er doch auserwählt, da er in einer Art Hochsprungübung versagt. Alice Renavand gab eine fesselnde Vorstellung als Auserwählte, deren mysteriöse Ausstrahlung es glaubhaft machte, dass sie Massen wild anstürmender Männer mit einer einzigen rituellen Geste lähmt.

Zeitloser wirkt das in Paris sehr selten aufgeführte „Serait-ce la mort?“, das erste Stück des Abends aus dem Jahr 1970, in dem ein sterbender Mann die Frauen wiedersieht, die er im Laufe seines Lebens geliebt hat. Von der Decke hängt ein von innen beleuchtetes Zelt wie eine Kathedrale aus Leinen, die von Pas de deux zu Pas de deux Form und Farbe ändert. In sparsamen, klaren Gesten entfalten sich darunter die verschiedenen Pas de deux zu Richard Strauss‘ „Vier letzten Liedern“, die Sopranistin Twyla Robinson auf der Bühne vorträgt. Die fünf Etoiles, die das Stück an diesem Abend vereinte – Nicolas Le Riche (der Mann), Dorothée Gilbert (das junge Mädchen), Clairemarie Osta (die Erfahrung), Emilie Cozette (die Dame von Welt) und Delphine Moussin (der Tod) – fügten sich harmonisch in ihre Rollen und die 28 Minuten bis zum Schlussbild, in dem der Mann sich durch einen Kuss mit dem Tod vereint, vergingen schnell wie ein Gedicht.

Auf dieses leise, lyrische Werk folgte Béjarts häufiger aufgeführter „Feuervogel“, eine Kreation für das Ballett der Pariser Oper aus dem Jahr 1970. Noch stärker als im „Sacre“ änderte der Choreograf hier die russische Vorlage: in seinem „Feuervogel“ gibt es weder Zauberer noch Fürsten noch Prinzessinnen, sondern lediglich eine Gruppe grau gekleideter Partisanen, aus deren Mitte ein Poet/Feuervogel erwählt wird, der sich für diese opfert und aus seiner Asche wieder aufersteht. In der Titelpartie verblüffte der junge Danseur Etoile Mathieu Ganio in seiner ersten Béjart-Rolle überhaupt: bei seiner Interpretation dieser durch zahlreiche große Persönlichkeiten geprägten Rolle glaubte man zu verstehen, welche Sensation Michaël Denard bei der Uraufführung ausgelöst haben muss, die ihn über Nacht der Öffentlichkeit enthüllte. Kaum erdgebunden in der Leichtigkeit seiner Sprünge, drückt Ganio durch Arme, Hände und Mimik eine Fülle an Emotionen aus und macht so die etwas obskure Geschichte von Inspiration, Fürsorge, Opfer, Sterben und dem Weiterleben der Hoffnung nachvollziehbar. Wie bei den anderen beiden Stücken sorgte auch hier Vello Pähn mit dem Orchester der Pariser Oper für hohe musikalische Qualität – unter anderem diese machte den Abend zu einem Erfolg, der zeigte, wie lebendig Béjart noch in der Kompanie ist, mit der er so häufig zusammengearbeitet hat. Die Hommage wurde komplettiert durch eine beeindruckende Photoausstellung „Maurice Béjart an der Pariser Oper“ von Colette Masson und Francine Levieux im Foyer der Opéra Bastille.

Besuchte Vorstellung: 19.12.08 www.operadeparis.fr

Kommentare

Noch keine Beiträge