In neue Räume aufbrechen
Die Preisträger*innen des Deutschen Tanzpreises 2024
Es muss ja nicht immer „Karneval der Tiere“ sein, wenn Lebewesen aufeinandertreffen und miteinander Spaß haben.
Die Initiative Fokus Tanz will neben dem eigenen Erleben und Erfahren von zeitgenössischem Tanz Kindern und Jugendlichen – insbesondere im Schulkontext – auch die Teilhabe an der Rezeption von Kunst ermöglichen. Das gelingt dem Zusammenschluss von Institutionen in Potsdam, Hamburg und Hellerau, indem je eine der Partner Tanzvorstellungen für ein junges Publikum produziert, die von anderen eingeladen werden können.
So auch Rotem Weissmans Choreografie „Prisma“, bei der kleine Tiere ganz groß rauskommen, nicht nur auf der Bühne - in diesem Fall in der Eingangshalle der Isarphilharmonie in München. Das Publikum, bestehend aus zahlreichen Familien, wird hier Zeuge von lebendig geworden Kinderbuchfiguren, wie die der „Raupe Nimmersatt“ (Eric Carle), den „Wilden Kerlen“ (Maurice Sendak) und Damien Laverdunts „Unsichtbaren Welten Mikroskopisch Kleiner Tiere“.
Drei in grün-rote Trikots oder in Kuschelfell gekleidete Figuren treten in Erscheinung, aber nicht, um eins zu eins den Inhalt der Geschichten wiederzugeben, sondern sie in ihrer vielschichtigen Metaphorik aus der Erzählung herauszulösen. Hierbei geht es vielmehr um die interpretatorische Vielfalt von Inhalten, die sich vor diesem Hintergrund anders lesen als die Originalfassung der Kinderbuchvorlagen. Neue Welten entstehen, kommen ans Licht, neue Perspektiven tun sich auf - als wenn Lichtstrahlen durch ein Prisma geschickt werden und sich farbig auffächern.
Ein breites (Interpretations)spektrum offenbart sich so den unterschiedlichen Perspektiven von Kindern und Erwachsenen. Diese neuen Konstellationen, die sich nicht nur durch das Herauslösen der Figuren von der konkreten Handlung ergeben, sondern auch buchübergreifend - also im Zusammenspiel mit anderen Figuren, lassen neue Welten entstehen, die alle Figuren miteinander erleben. Da gibt es die mikroskopisch kleine(n) Tiere, Sendaks „Wilde Kerle“ und die „Raupe Nimmersatt“, die sich zueinander zu einem ganz eigenen Kosmos finden, auch mit dem Publikum interagierend. Je nach musikalischer Struktur ergibt sich choreografisch eine bestimmte Bewegungsabfolge, z.B. das Robben auf dem Boden, das Schlängeln, die Wiederkehr des Pliées in der 2. Position, mal statisch, mal dynamisch - immer anregend.
Plötzlich taucht man in die Welt der Raupe „Nimmersatt“ ein und meint das Knabbern am Cocon zu hören oder Algen erscheinen fast unmerklich, bevor man sich im nächsten Moment mit einer lustigen Tanzeinlage ähnlich wie bei Jacques Offenbach wiederfindet oder Hip Hop-Einlagen wahrnimmt. „Nimmersatt“ lautet dann auch das Stichwort, mit dem man den Abend in Verbindung bringt, den man der ausgeklügelten Choreografie Rotem Weisman zu verdanken hat, ausdrucksstark, dynamisch und witzig präsentiert von Rotem Weisman, Jin Lee und Jihun Choi, die mit Fantasie, Schauspielkunst, Wandlungsfähigkeit das Publikum 40 Minuten lang in den Bann ziehen. Am Ende, wo man als Publikum Teil der Aufführung und in das Geschehen eingebunden wird, gibt es für die Zuschauer*innen kein Entrinnen. Vielleicht hat die Raupe entsprechend der Begeisterung des Publikums gesprochen: “...und satt war sie noch immer nicht“ - ein kurzweiliger Abend.
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