„Schrei X⁸“ von Akemi Takeya

Performativer Bilderreigen

„Schrei X⁸“ von Akemi Takeya beim Impulstanz

Takeya beschäftigt sich mit den Einflüssen, die sie zu der gemacht haben, die sie ist. Die Referenzen, die sie setzt, müssen vom Publikum nicht erkannt werden, man kann sich einfach auf die großartigen Szenen, die entstehen, einlassen.

Seit über 30 Jahren ist die gebürtige Japanerin Akemi Takeya in der Wiener Tanz- und Kulturszene eine fixe Größe und auch immer wieder Gast bei ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival. Kein Wunder also, dass nun ihr neuestes Stück „Schrei X8“ ebendort im Wiener Odeon zur Uraufführung kam. Am Anfang des Stückes steht auch der Anfang von Takeyas Leben: auf Japanisch erzählt sie von ihrer Geburt und dass es mehr Einsatz des Arztes gebraucht hat, bis sie ihren ersten Schrei getätigt hat. Obwohl das Stück den Titel „Schrei X8“ trägt, geht es gar nicht so viel um den Schrei an sich. Nur eine Szene ist dem Schreien gewidmet. Dabei Takeya leitet auch einen – bereits ausgebuchten – Workshop bei ImPulsTanz, in der sie sich mit dem vokalischen Schreien beschäftigt. Weiter geht es mit Kindheitserinnerungen. Während dieser Erzählung, die mittels Untertitel übersetzt wird, sitzt Takeya reglos vorne auf der Bühne. Die einzige Bewegung zu diesem Zeitpunkt ist eine Installation, die Zitronen in eine Saftpresse fallen lässt, um diese auszupressen.

Zitronen sind in ihren Arbeiten immer wieder ein wichtiger Bestandteil gewesen. Im Verlauf des Stückes gibt es einen Fragenblock – teilweise sehr persönlich –, wobei sie nur auf manche Fragen antwortet. Auf die Frage warum Gelb, die immer wieder gestellt wird, gibt sie keine Antwort. Dabei sind es nicht nur die gelben Zitronen sondern auch bei den Kostümen ist Gelb dominierend. Auf die Frage, ob es wirklich ihr letztes Stück ist, kommt ein Vielleicht zurück. Die Fragen stellt der Performer Evandro Pedroni, der im ganzen Stück einen guten Konterpart zu Takeya bildet.

Gegen Ende kommt auch noch der gesammelte Zitronensaft zum Einsatz: aus einem durchsichtigen Schlauch wurde ein Kleid gefertigt, das sich Takeya anzieht. Das Befüllen des Kleides und nachfolgende Abpumpen des Saftes wird zu einem meditativen Moment. Auch die Kostüme stammen von Takeya (Kostümassistenz: Ruth Erharter), die Objekte wurden von Mathias Lenz gestaltet. Erst nach dem Schlussapplaus erschließt sich so manche Referenz, wird das Stück verständlicher: projiziert werden Texte von Takeya, in denen sie auf einzelne Persönlichkeiten wie u.a. Yoko Ono, Laurie Anderson, Diamanda Galás, Nina Simone, Marina Abramovic, Maria Callas, John Cage, Andy Warhol und Joseph Beuys eingeht und darauf, welchen Einfluss diese Personen mit ihrer Kunst auf ihre künstlerische Entwicklung gehabt haben.

Es ist ein wahrer Bilder- und Klangreigen (die Komposition stammt von Takeya selbst, das Sounddesign von Ursula Winterauer, die Drums spielt Didi Kern), der auf das Publikum einprasselt: manchmal weiß man nicht genau, worauf man seinen persönlichen Fokus legen soll. Soll man den Text lesen, der projiziert wird oder doch lieber auf die Perfomer*innen achten. Soll man sich auf die Pixelart (Visual Design: Maximilian Pramatorow und Yuwol June C.), in der immer wieder auch Gesichter zu erkennen sind, konzentrieren oder nicht. Ist es ein Ritual, das hier abläuft und dessen Zeuge man wird, oder nicht. Aber genau das macht den Reiz des Stückes wieder aus. Ein befreiender Moment wird die Szene, in der wirklich geschrien wird und man denkt sich, vielleicht sollte man einfach öfters selber schreien, um so Emotionen und vielleicht auch Aggressionen loslassen zu können...
 

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