„Salome Tanz“ von Eyal Dadon. Tanz: Joel Di Stefano

„Salome Tanz“ von Eyal Dadon. Tanz: Joel Di Stefano

Abgekartetes Spiel

„Salome Tanz“ von Eyal Dadon am Gärtnerplatztheater München

Mitbestimmung der Zuschauer*innen bis hin zur Manipulation des Bühnengeschehens: Eyal Dadons Experiment der Verknüpfung des Salome-Mythos mit Ego-Shooter-Ästhetik geht nicht ganz auf.

München, 05/03/2020

Von Sarah Moessner

Die Ankündigung für „Salome Tanz“ des israelischen Choreografen Eyal Dadon ist vielversprechend: Eine neue Bearbeitung der Geschichte von Salome mit Videospielen als ästhetischem Vorbild und aktiver Beeinflussung der Aufführungen durch die Zuschauer*innen. Das könnte eine riesige Chance sein, gerade bei den Jungen wieder mehr Interesse für das Theater und den Tanz zu generieren. Doch leider bleibt die Inszenierung hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die große Erwartung, hier einen Tanzabend live mitbestimmen zu können, das Geschehen auf der Bühne zu manipulieren, wird nur begrenzt erfüllt.

Im Laufe des 80-minütigen Stücks werden drei Fragen gestellt, bei denen das Publikum sich entscheiden darf (neben den vier Fragen, die bereits in der Produktionsphase in verklausulierter Form online zum Voting offen standen). „Will you help me?“ fragt am Anfang des Abends die Figur, der man in der nächsten halben Stunde, ähnlich wie dem eigenen Charakter in einem Videospiel, folgen wird. Die Antwort ist wenig spektakulär - einstimmiges „Yes“ des Publikums. Einige Zeit später wird ein männlicher Tänzer von einem anderen mit der Waffe bedroht. Das Publikum soll für ihn entscheiden: „What should I do? Dance or kneel?“ - die Antwort folgt sogleich (wiederum wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass die Zuschauer*innen für eine Tanzaufführung bezahlt haben): einstimmig „Dance“.

Zum Schluss wird es dann doch noch kontrovers, wenn es heißt: „Who should die? - He or she?“. Da spürt man das erste Mal die eigene Entscheidungsgewalt, hat ein grausames Vergnügen dabei, sich für eine Seite zu entscheiden und fühlt sich gleichzeitig schuldig. Diese verzwickte Lage, die Verantwortung, die Schuld, das Machtgefühl, all das sind starke Eindrücke, mit denen gespielt werden könnte, die perfekte Situation, um ein Publikum durchzurütteln, aufzuwecken, zum Nachdenken anzuregen.

Doch nichts davon geschieht. Vergeblich wird nach einer direkten Reaktion des Bühnengeschehens auf das Voting der Zuschauer*innen gesucht, umsonst auf die Konfrontation jedes Einzelnen, jeder Einzelnen mit der Konsequenz seiner bzw. ihrer Wahl gewartet. Stattdessen lässt Eyal Dadon die Tänzer*innen sich alle gegenseitig umbringen, kurz darauf wieder auferstehen und schließlich bis zur Erschöpfung laut atmend auf der Stelle marschieren, bis der Vorhang fällt. Es bleibt eben doch ein abgekartetes (Computer-)Spiel in dieser Inszenierung.

Dabei ist der Anfang verheißungsvoll. Die Computerspiel-Ästhetik geht hervorragend auf und es macht wahnsinnigen Spaß, den grandiosen Tänzer*innen des Gärtnerplatz-Ensembles dabei zuzusehen, wie sie sich als Avatare, verfolgt durch eine Kamera mit Live-Übertragung, auf der Bühne bewegen und mit wie vielen szenisch-tänzerischen Einfällen es gelingt, virtuelle Realitäten zu erschaffen. Auch die Musik ist überzeugend arrangiert und changiert unter der Musikalischen Leitung von Michael Brandstätter zwischen Kammermusik und John Cage, Romantik und Minimalismus. Die Live-Abstimmung ist nahtlos in die Inszenierung eingebaut und wirkt sehr natürlich. Der Mythos, der sich um Salome spannt, birgt viele spannende Anknüpfungspunkte. Zum Beispiel auch den, dass die meisten bekannten literarischen, musikalischen und filmischen Vorlagen bzw. Adaptionen von Männern stammen. Diesen klammert Eyal Dadon in seinem Stück jedoch aus.

Gerade deshalb ist es schade, dass dieses Potential nicht ausgeschöpft wurde. Statt darauf zu vertrauen, dass die andersartige Ästhetik und die direkte Einbindung der Zuschauer*innen in Verbindung mit Salomes Geschichte Spannendes und Neues hervorbringen könnten, fällt „Salome Tanz“ in altvertraute Muster. Als Zuschauer*in fühlt man sich in diesem Partizipationsexperiment leider zu wenig wahrgenommen oder wertgeschätzt, sondern eher übergangen.
 

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