„Set of Sets“ von Guy Nader und Maria Campos

„Set of Sets“ von Guy Nader und Maria Campos

Was lange dauerte, wurde doch noch gut

Das dreiwöchige Festival „Open! Now!“ in Leipzig

Vergangene Woche eröffnete das Leipziger Lofft mit einem Festival seine neue Spielstätte in der Baumwollspinnerei. Den Anfang machte eine Inszenierung, die man gern auch als Versprechen für die Zukunft dieses freien Theaters lesen möchte.

Leipzig, 02/04/2019

Die Eröffnungsaufführung eines Theaterfestivals ist immer eine heikle Sache. Gilt es doch ein Stück zu finden, das in seiner Qualität die künstlerische Festival-Programmatik mit formuliert und zugleich eine gewisse Leichte und Zugänglichkeit in sich trägt. Kunst ja, aber bitte eine, die auch ein breiteres Publikum anspricht – so die ungefähre Zielvorgabe.

Ein Balanceakt, der nicht einfacher wird, wenn, wie im Falle des Lofft, ein solcher Festival-Opener dann auch gleich noch eine neue Spielstätte, gar ein neues Theaterhaus einweiht. Eins, das dieser freien Bühne in ihrer Bedeutung und Ausstrahlung endlich gerecht wird. Nach einem jahrelangen Quasi-Provisorium in einem Haus mit dem Theater der Jungen Welt, das einer zunehmend die Geduld aller Involvierten strapazierenden Zwangsehe gleichkam, verfügt das Lofft jetzt über exponierte Räumlichkeiten auf dem nicht minder exponierten Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei. Was unabhängig von allen kulturpolitischen Aspekten zugleich eine künstlerische Steilvorlage markiert. Und vielleicht will man es auch deshalb nur zu gern als Omen sehen, wie gut dieser Balanceakt des Eröffnungsabends jetzt mit „Set of Sets“ der katalanische GN/MC-Company gelungen ist.

GN/MC steht für Guy Nadar und Maria Campos; die künstlerischen Köpfe eines Ensembles, das indes auch in „Set of Sets“ zuallererst einmal eins zeigt: Wie sich Hierarchien aufheben, sich eine Gruppe Körper zum homogenen Ganzen, zu einem echten Bewegungs-Organismus verfügen können. Und zwar ohne dass dabei auch nur für einen Moment die Individualität der auf der Bühne agierenden drei Tänzerinnen und vier Tänzer nivelliert wird.

Teilchenbewegung im Teilchenbeschleuniger: Zu den rhythmisch treibenden, von Miguel Marin live an Computer und Schlagwerk gerierten Sounds, setzt „Set of Sets“ eine dynamische, aber nie das Gleichmaß verlierende Rotation in Bewegung. Einen zirkulierenden Fluss, der so konzentriert wie geschickt mit der Energie im Raum zwischen den Körpern arbeitet. Magnetfelder schafft, die die Tänzerinnen und Tänzer bald zu Gruppenskulpturen formen, diese wieder auflösen, neu variieren, auflösen. Und dabei, zwischen mitunter akrobatisch virtuosen Hebungen und Sprüngen, die Kontrapunkte eines für Sekunden atmenden Stillstands, Augenblicke eines pulsierenden Verharrens schafft.

Bis sich seinerseits auch dieses Verharren in seinen oft vertrackten, auch kompliziert pittoresken Körperposen, wieder auflöst. Hin in jenen letztlich nicht zu stoppenden, schier ewig währenden Bewegungsfluss, der sich in seinen Bündelungen und Zerstreuungen im Bühnenraum geradezu wie ein Molekularkreislauf strukturiert. Als wäre „Set of Sets“ der Versuch, die innere, mikroskopische Textur der Zeit zu erfassen. Mit einem Tanz der reinen Form. Einer choreografischen Allegorie, in der jede Nähe, jedes Finden und Verfügen, sich nur als ein weiterer Moment ewigen Vergehens zeigt. Dass die Inszenierung in zwei, drei Momenten mit der Suggestion spielt, an ihr Ende gelangt zu sein, nur um noch einmal aufzubrechen in ihren Bewegungsfluss, ist da nur konsequent.

So wie die Ovationen angemessen sind, wenn nach 60 Minuten dann tatsächlich Schluss und somit ein vielversprechender Anfang gemacht ist. Und das meint nicht nur dieses Festival.
 

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