Kaleidoskop der Emotionen
Meg Stuart & Doug Weiss zu Gast bei ImPulsTanz
Man braucht heute nicht mehr viele Worte über Xavier Le Roys Bereicherungen des zeitgenössischen Tanzes zu verlieren. Und doch muss man darauf zurückgreifen, wenn man dem Solo Untitled (2014) beikommen will. Ganz leger präsentiert sich der Maestro ganz leger zu Anfang seines dreiteiligen Abendprogramms vor dem Publikum im Akademietheater Wien. Seine Aussage: Alles was ich Ihnen zu erzählen hätte über das Stück, habe ich vergessen. Le Roy begibt sich hier entgegen der formulierten Aufgabe, einen Vortrag über die noch kommenden zwei Teile zu halten, in eine ebenso verstaubte Offenkundigkeit des Maskenspiels wie es in einem solchen klassischen Theaterraum gern zu oft geschieht. Der damit einhergehende Publikumseinbezug ist dann gleichermaßen anstrengend zu ertragen wie das Vorlesen des Programmheftes durch Le Roy selbst. Denn hier sehen wir niemanden der einen Hohn aus einer selbstreferenziellen Selbstbestätigung macht, wenn er jene Zeilen liest, die davon berichten, wie er mit unbeworbenen Vorstellungen den Erwartungshaltungen gegenüber Kulturproduktionen entgegenhielt oder wenn Zuschauer den Meta-Diskurs zum Theaterdispositiv anwerfen wollen.
Le Roy entleert in diesem Moment also den Mythos des Marionettenspiels. Er vergisst alles, um zur naiven Körperlichkeit zurückzukehren, die den Schwerpunkt kennt und nicht zu suchen hat, die nicht mit Bewusstsein der Bewegung folgt, sondern ihre Seele in ihr hat. So zumindest gibt sich der Kleist-Verweis. Im zweiten Teil folgt ein kleines Widerspiel von menschlicher Erkenntnistracht und der blanken Bewegung. Dazu ringt und umschlingt sich Le Roy im Halbdunkel mit den Gliedern eines 'Mannequins' und treibt das Verwirrspiel an, wer nun der Agierende sei. Gefolgt von einem Marionettentanz, der das lebensgroße Menschenduplikat den Kleistschen Begriff von Antigravitation illustrieren lässt. Beides verweist offensichtlich auf Le Roys Untitled (2012). Und schließlich folgt im dritten Teil auch eine Interpretation von gebündelten Körperveräußerungen, die ins bekannte Metier von Le Roys „Self Unfinished“ führen könnten. Schließlich hat er in diesem Teil die Abschottung vorgezogen und, einzig er von Kopfhörern beschallt, äußert sich letztlich noch schreiend bis das Black kommt.
So vollzieht sich eine Kreisbewegung des eigenen Formalismus, die doch dessen Kritik hätte sein können. Sollte der Automatisierungsprozess kritisch betrachtet zu einer Rekonfiguration führen, kann man am Ende nur einen konzeptionellen Automatismus wahrnehmen, der sich hinter dem Namen des Strippenziehers Le Roy verbergen möchte.
Die möglicherweise polarisierenste Frage aus dem Publikum ist wohl nur jene gewesen, die ganz konkret darauf verweist, dass ehemalige Erfolge nicht gleich kritiklose Anerkennung garantieren sollten: „Wer sind sie überhaupt?“ – Xavier Le Roy. Stille. Nächste Frage. Gleich der blanken, unangebundenen Aneinanderreihung von illustrativen Bildern des Marionettenideals, das an diesem Abend vorgestellt wird. Warum stellt Le Roy nun keine Frage mehr, sondern lässt sich lediglich genüsslich befragen und ausstellen, als gäbe es keine Differenzierung mehr zwischen seinen vergangenen Produktionen und seiner gegenwärtigen Relevanz?
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