Im betörenden Kabinett der Scheinwelten

„Gardenia“ mit Les Ballets C. de la B. gastiert als letzte Premiere von ImPulsTanz im Akademietheater

Wien, 14/08/2010

Das jüngste Stück des Choreografen Alain Platel ist in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Frank Van Laecke entstanden. „Gardenia“ mit Les Ballets C. de la B. gastiert nun als letzte Premiere von ImPulsTanz im Akademietheater. Die Tragikomödie basiert auf einem Konzept Vanessa Van Durmes, die den Schauspielerberuf nach einer Geschlechtsumwandlung an den Nagel hängte. Platel holte sie auf die Bühne zurück.

Ausgangspunkt ist die letzte Aufführung eines Travestie-Kabaretts, dessen letzter Vorhang nach 40 Jahren fällt. Schon die erste Szene ist Platel und Van Laecke meisterhaft gelungen: Nach einer Gedenkminute für verstorbene Kollegen verwandeln sich die Darsteller von älteren Herren in Anzug und Krawatte in schrille wie schrullige Akteure des Kabaretts. Anstelle der Atmosphäre eines Altersheims mit seinen gebrechlichen und gelangweilten Bewohnern öffnet sich die glamouröse Welt des Showbiz, werden die gezeichneten Alten, über deren Vorstellung mit Künstlernamen eben noch gelacht wurde, zu quicklebendigen, erfahrenen Bühnenpersönlichkeiten in fantastischen Kostümen von Marie „costume“ Lauwers. Sieben Transvestiten, eine Frau und ein junger Mann vermischen ab nun ihre letzte Vorstellung mit privaten Erlebnissen.

Nicht umsonst greift die Musik (Steven Prengels) in diesen Szenen auf Opern zurück, geht es um große Auftritte und große Unterhaltung. Doch wo Travestie-Kabarett auf den Effekt des Geschlechtertausches baut, integrieren Platel und Van Laecke teils bedrückende Geschichten aus dem Leben der Darsteller. Geschichten, die über den Gender-Bereich hinausreichen. Sexueller Missbrauch in der Kindheit, Einsamkeit und Sehnsucht nach Partnern beherrschen die Gedanken vor, während und nach den Auftritten. Hinzu kommt ein Gustostückerl: Backstage-Aktivitäten zur Vorbereitung der Show begleiten Ravels „Boléro“.

Mit dem jungen Mann tritt ein Akteur durch ein bizarres Ballettsolo in den Vordergrund, der als Handlanger wie ein Fremdkörper wirkte. An ihm manifestiert sich das Schicksal des Außenseiters, des Individuums auf der Suche nach Identität. Als kaukasischer Flüchtling braucht er einen Übersetzer, um sich mitzuteilen. Die Frau versucht, ihn zu beruhigen, bis seine existenziellen Sorgen zu einem Duett über Zuneigung und sogar bis zum Kampf führen.
Welch ein Kontrast zum Schein der Bühnenwelt!

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

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