Resisting Anthropocene
“Bare Bodies – Bodies & States of Exception” by Ursina Tossi at Kampnagel
Ursina Tossis „Your Outside is in and your Inside is out!“ im Hamburger Sprechwerk
„I’m not a robot, I’m a unicorn... Not everything could also be something. For example not everything could be half of something, which is still something and not nothing... Don’t you want to have a body?“ Mit einem Audio-Chat zwischen zwei Robotern wurde die Performance von der Choreografin Ursina Tossi eingeleitet, welche sich am Beginn des Stückes gemeinsam mit ihren zwei Tänzerinnen Nora Elberfeld und Angela Kecinski am hinteren Rand der Bühne nahe der Wand und mit den Rücken zum Publikum befand.
Wie die Motten zum Licht; dressierte und galoppierende Pferde; Fliegen, die an einem Klebestreifen auf der Fensterbank kleben bleiben? Ein Rudel hungriger Wölfe? Ein Schnüffeln, ein Suchen, mit Augen und Nasen? Wie aufgescheuchte Tauben schnell die Köpfe und Blicke durch den gesamten Raum irren lassen? Weberknechte an Wänden, Haufen von schlafenden tiefatmenden Wesen werden zu wuselnden Würmern oder Larven, deren Körper optisch nicht mehr voneinander zu trennen sind. Mechanisch wiederholte Bewegungsabläufe, die immer wieder ins Stocken geraten und manchmal sogar eine Assoziation zum menschlichen Schamgefühl aufkommen lassen.
Es war ein Abend, der vielerlei Assoziationen hervorgerufen hat und von Anfang an eine Bewegungsdynamik und -rhythmik etablierte, der man nicht entkommen konnte und wollte. Spiegel oder Anleitung? Was sehen die Performerinnen? Immer wieder stellte man sich die Frage, was wohl auf den zwei Bildschirmen zu sehen war, die vom Publikum aus nicht einsehbar waren. Was beobachten die Performerinnen? Was tun sie und inwiefern machen sie etwas selbst, oder machen „nur“ etwas nach? Aus dieser Bewegungshaltung heraus entstanden immer wieder spannende Momente der Überlappung, der Gleichzeitigkeiten, bis hin zu Unisono Momenten. Durch dieses, möglicherweise angeleitete, Bewegungsmaterial stellte sich die Frage nach Hierarchien von Entscheidungen, nach einer Selbst- oder Fremdbestimmtheit. Diese Frage wurde vor allem auch durch die Musikerin und Violinistin Irene Kepl verstärkt, die gemeinsam mit den Tänzerinnen auf der Bühne war und live spielte, beispielsweise Sound produzierte. Irene Kepl arbeitete bereits für das Stück „hin & her“ mit Tossi zusammen, welches ebenfalls die Thematik von Hierarchien und das Entstehen von Beziehungsmuster bei der gemeinsamen Nutzung von Raum behandelt. Sie ist Gründerin der Konzertserie „Musik im Raum“ und gewann bereits den Theodor Körner- und den Gustav Mahler Kompositionspreis.
Der Titel des Stückes „Your Outside is in and your Inside is out!“ verweist nicht nur auf eine Zeile aus dem Beatles Song: Everybody’s Got Something to Hide Except Me and my Monkey von 1968, sondern auch auf einen theoretischen Essay von Ranulph Glanville und Francisco Varela. Dieser verfolgt vor allem die konsequente Idee von einem Außen und einem Innen, welches nur eine Konsequenz des Gedankens ist, dass es einen äußeren Beobachter gibt. Die Form aller Dinge ist eigentlich identisch und kontinuierlich. „There is no inside, no outside except through the notion of the external observer.“
Die wechselnden Bewegungsqualitäten der Tänzerinnen und auch das spannende Timing führten zu fließenden Übergängen und öffneten immer wieder neue Assoziationsräume und Atmosphären. Gegen Ende des Stückes bricht die Technik noch stärker in den Bühnenraum ein und der gesamte Boden wird von einem flimmernden Fernsehstandbild bedeckt. Das Flimmern des Bildschirmes überträgt sich auf die Körper der Tänzerinnen. Leider schleicht sich an dieser Stelle eine gewisse Langatmigkeit ein, im Vergleich zu den vorherigen Szenen - was für mich vor allem an den Momenten der körperlichen Ausstiege aus den Bewegungsqualitäten zwischendurch lag. Der erste Moment eines solchen Ausstiegs funktionierte beeindruckend gut. Durch einen plötzlichen und sehr exakten Fokus und Blickkontakt mit dem Publikum, beispielsweise durch eine der anderen Performerninnen, wurde ein klarer Bruch hervorgerufen. In der oben genannten Szene aber, verwischte dieser Bruch zu einer, für mich in dieser Situation etwas unklaren, alltäglichen Bewegungsqualität. Durch das überraschende Ende wurde das Stück noch einmal in eine ganz andere Richtung gelenkt. Man konnte sich nicht recht entscheiden, ob man nun doch noch mehr von diesem schönen Endbild sehen wollte, in welchem die Tänzerinnen in Schlaufen leicht über dem Boden schwebten, oder es bei diesem schönen Abschlussmoment bleiben sollte. Die Neugierde war groß, jemanden sich in dieser Position bewegen zu sehen und dennoch war es ein gelungener Endpunkt des Stückes.
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