Die Weite innerer Landschaften

„Showing” mit Mirko Guido im Choreografischen Centrum Heidelberg

Die schlimmsten Energieräuber für Künstler können dramatisch sein – kein Geld, keine Produktionsmöglichkeiten – oder ganz banal: Ablenkungen durch Anforderungen des Alltags. Vor beiden Varianten schützt die Residenz am CC Heidelberg: Die ausgewählten Künstler können sich hier für ein paar Wochen völlig auf ihr kreatives Tun konzentrieren.

Heidelberg, 01/06/2014

Die schlimmsten Energieräuber für Künstler können dramatisch sein – kein Geld, keine Produktionsmöglichkeiten – oder ganz banal: Ablenkungen durch Anforderungen des Alltags. Vor beiden Varianten schützt die Residenz am Choreografischen Centrum Heidelberg: Die ausgewählten Künstler können sich hier für ein paar Wochen völlig auf ihr kreatives Tun konzentrieren. Die Unterbringung im Centrum erlaubt nebenbei den großen Luxus, sich ganz auf einen inneren Arbeitsrhythmus einzustellen.

Der Italiener Mirko Guido, ehemaliger Cullberg-Tänzer, der in Stockholm seine Wahlheimat gefunden hat, muss mit seinen Mitstreiterinnen (den beiden Tänzerinnen Katrine Johansen aus Dänemark und Patricia Vázquez Iruretagoyena aus Spanien sowie der schwedischen Sound Designerin Lisa Stenberg) in einen regelrechten Flow geraten sein. Am Ende, kurz vor dem „Showing“, dem öffentlichen Zeigen der Arbeitsergebnisse, war mit einem Mal klar: Der Untergrund muss weiß werden. Also wurde in einer ausufernden Nachtaktion ein weißer Tanzboden ausgelegt, um den Raum für „Fluid Landscapes“ abzustecken. Und tatsächlich: So groß hat die Bühne im Centrum noch nie gewirkt, und so kleinteilig artifiziell waren die hier gezeigten Arbeitsproben auch noch nie.

Mirko Guido geht seine inneren Landschaften mit fein geschliffenem Minimalismus an. In den besten Momenten des 45-Minuten-Stücks entsteht dabei ein hypnotischer Sog, an dem Komposition einen gleichberechtigten Anteil hat. Der Choreograf hat der Musikerin eine kontinuierliche Mitarbeit an den Proben zugetraut und zugemutet – so ist ein adäquater Soundscape entstanden, eine Ton-Landschaft, die sich im tastenden Rhythmus der Choreografie von Atem-Geräuschen und Wind hin zu an- und abschwellenden Elektro-Clustern bewegt, mit hohem Trance-Potential.

Anfangs stehen sich die beiden Tänzerinnen gegenüber, und nur im Stehen vollführen sie ein eindringliches Duo einer verfehlten Begegnung: Wo die eine sich hinbeugt, windet sich die andere gerade weg, Berührung soll nicht sein. Und doch bleibt dieses Ausweichen unbestimmt, beinahe zufällig; erst muss der Raum mit Bewegungen individuell durchmessen und abgesteckt werden, bevor Gemeinsamkeit entsteht. Gänzlich berührungsfrei bleibt dieses Duo, bei dem die Protagonistinnen vom Gegenüber zum Nebeneinander finden - am Ende nackt mit eindrucksvollen, fließenden Bewegungen. Das letzte Bild zeigt die beiden Tänzerinnen Seite an Seite, Rücken neben Rücken.

Beim „Showing“, dem Vorzeigen der Arbeitsergebnisse aus der Residenz-Zeit, waren im handverlesenen Publikum vier erfahrene ChoreografInnen dabei – man konnte dem so wichtigen Netzwerk für den Tanz im Rhein-Neckar-Raum regelrecht beim Wachsen zuschauen.
 

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