Another good old new dance
„Kampung Baru (New village)“ by Raymond Liew Jin Pin as a video-stream
Von Katya Statkus
Nach der Ticketkontrolle betreten die Zuschauer (die Anzahl wurde an dem Abend auf 40 begrenzt) die kleine Halle P1 von Kampnagel. Zuerst bleiben sie vorsichtig an den Rändern der Bühne stehen, dann verteilen sie sich zunehmend. Die Performer laufen mit ansteigendem Tempo quer über die Bühne, um durch diese Gänge das Publikum in neue Formationen zu bringen. Einige Zuschauer gehen in diesem Spiel fröhlich mit und versuchen, die Gänge der Performer zu verhindern. Es gibt mehrere spannende Situationen, zum Beispiel wenn die Performer kleine Zuschauergruppen umkreisen, doch das Spiel ist bald vorbei. Es diente lediglich als kleiner Auftakt für die Sensibilisierung der Wahrnehmung des Gehens.
Danach kommt die Einleitung zum Hauptteil, in der Martin Nachbar seine Performer vorstellt. Er erklärt die Regeln des Spaziergangs: 1. immer still sein, 2. mitmachen oder zugucken oder weggehen - wobei keine dieser Regeln letztlich verbindlich ist. Und da Hamburg an diesem Tag wieder seinem Ruf als Pissspott bestätigt, bekommen die Zuschauer vor dem Spaziergang Regenponchos.
Draußen gibt es zuerst ein Warmup: alle sollen ihr Körpergewicht langsam im Stehen von einer Seite des Körpers zu der anderen verlagern. Danach begibt sich das Publikum in sehr kleinen Schritten entlang des Kanals bis zur großen Hauptstraße. Dort erfolgt eine weitere stille Einweisung: die Gruppe ordnet sich neu und geht langsam rückwärts - während die Perfomer sehr sorgfältig auf die Teilnehmer aufpassen und ihnen ein sicheres Gefühl geben. Als nächste Phase kommt es zu einem lustigen Versteckspiel in der Tiefgarage von Kampnagel. Die Gruppe zerstreut sich so, dass es unmöglich scheint, sie wieder zusammen zu bringen. Doch nach einigen Minuten findet sich die Versammlung wieder und geht aus der Tiefgarage. Die nächsten Schritte werden mit einer Körperdrehung ausgeführt, so dass beim Überqueren der Straße die Gruppe den Verkehr unterbricht und eher einem eigenartigen Flashmob gleicht. In einem Innenhof auf der Jarrestrasse wird laut getobt und gesprungen. Unmittelbar danach formiert sich die Gruppe zu einer Schneckenreihe, die sich ganz nah an den Häusern entlang bewegt. Später gibt es noch ein Hüpfspiel und anschließend schlängelt sich die Gruppe an Restaurantmöbeln vorbei. Danach werden die Teilnehmer wieder zu einem etwas konventionelleren Publikum und schauen sich die verschiedenen Gänge der Performer auf der Straße an. Die Gänge selbst werden immer wilder und enden in einem archaischen Kreistanz um einen Baum herum. Die letzten Meter des Spaziergangs werden mit geschlossenen Augen durchgeführt. Sich an einem Seil festhaltend, bewegen sich die Zuschauer still zurück in die Halle, wo der Spaziergang gestartet war.
Trotz des Hamburger Regens hatte die ganze Gruppe bei der gemeinsamen Entdeckung des Gehens jede Menge Spaß. Alleine, dass sich so viele Leute auf den letzten Walk mit geschlossenen Augen eingelassen haben, zeigt, dass sich die Teilnehmer wohl gefühlt haben müssen und Vertrauen in die Performer hatten. Zum einen mag es wohl daran gelegen haben, dass die Performer gut auf das Publikum acht gaben; zum anderen lag es daran, dass Martin Nachbar selbst in seiner Einleitung sehr klare Anweisungen gab und dadurch dem ganzen Experiment einen sicheren Rahmen verschaffte. Und hier steckt vielleicht auch die größte Frage: Hätte sich dieser gemeinsame Spaziergang auch von alleine erklärt? Hätte es ohne Einleitung genauso gut funktioniert? Hätten sich die Teilnehmer auch ohne das Wissen, wer die Performer sind, an ihnen orientiert? Vielleicht wäre das Gehen als Experiment und die damit verbundene Raumwahrnehmung noch spannender gewesen, hätten die Teilnehmer aktiver über die einzelnen Gänge und Aktionen mitentscheiden können.
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