Jessica Iwanson und Barbara Kaufmann auf dem Marienplatz
Jessica Iwanson und Barbara Kaufmann auf dem Marienplatz

Wie der moderne Tanz München eroberte

Ein Rückblick auf 40 Jahre Iwanson

Eine junge charismatische Schwedin tanzt in Paris – und wird in München zur Tanz-Pionierin. Eigentlich wollte Jessica Iwanson, 1973 bei der Modern-Dance-Koryphäe Peter Goss in Paris engagiert, nur für ein paar Wochen nach München kommen.

München, 30/09/2014

Eine junge charismatische Schwedin tanzt in Paris – und wird in München zur Tanz-Pionierin. Eigentlich wollte Jessica Iwanson, 1973 bei der Modern-Dance-Koryphäe Peter Goss in Paris engagiert, nur für ein paar Wochen nach München kommen. Sie war von dem US-Musical- und TV-Choreografen Bill Milié als kurzzeitige Vertretung angefragt worden: für sein Tanzstudio im ehemaligen Schwabinger Trambahndepot. Zum Glück für München blieb sie.

Ihr bald am Gärtnerplatz eröffnetes Dance Center Iwanson wird schnell zum Treffpunkt für Tanzprofis und -amateure. Das Klassisch-Training geben Tänzer der Bayerischen Staatsoper. Die Chefin lädt immer wieder renommierte Gastlehrer ein, unterrichtet selbst die Hauptstundenlast. Heißt: Modern Jazz und vor allem den von der US-Legende Martha Graham geprägten Modern Dance, damals hierorts eine eher noch exotische Disziplin. Mit ihrem ersten Modern-Dance-Abend im Zirkus Krone – sie selbst und die damalige Staatsopern-Eliteballerina Joyce Cuoco als Attraktion – ist ihre Iwanson Dance Company geboren.

Aus dem für jedermann offenen Gärtnerplatz-Studio hat sich, nach zwei Umzügen, in den hellen geräumigen Sälen in der Adi-Maislinger-Straße Deutschlands einzige private Ausbildungsstätte für modernen und zeitgenössischen Tanz entwickelt. „Imgrunde habe ich schon im Gärtnerplatz-Studio Kinder und Jugendliche ausgebildet, von denen einige ja auch eine Profi-Karriere gemacht haben. Barbara Hampel in Pina Bauschs Tanztheater, nur zum Beispiel“, erinnert Jessica Iwanson an ihren Start in den 70er Jahren. „Aber es gab da noch keine strenge schulische Struktur.“ Die organisiert in den 80er Jahren Stefan Sixt, seine Sportkarriere hintanstellend. „Ich habe Jessica auf der Bühne gesehen“, erklärt er lapidar seine Liebe auf den ersten (Tanz-)Blick. Dass er die von vielen Bewerbern umschwärmte, attraktive Nordländerin erobert hat, sagt einiges über seine Beharrlichkeit. Dank seiner umsichtigen Geschäftsführung kann sie sich voll auf ihre künstlerischen Aufgaben konzentrieren, was sie bekräftigt: „Ich war ja viel unterwegs, habe neben dem Unterricht hier quer durch Deutschland Workshops gegeben, Musicals wie „Chicago und „Sweet Charity“ choreografiert.“

In den 80er Jahren übernimmt sie noch die Leitung des Balletts ihres Mentors Ivo Cramér am schwedischen Riksteater und die der norwegischen „Nye Carte Blanche“. Eine zusätzliche (Tournee-)Belastung – jedoch mit Vorteilen. Was sie für diese beiden Kompanien choreografiert, studiert sie auch in München ein und umgekehrt. Und: sie kann ihre kleine Iwanson-Truppe mit Tänzern aus Schweden und Norwegen verstärken.
Auf diese Weise bekommt München in geschliffen professioneller Form Nachhilfe in Modern Dance: bei „München Kultur“ 1978 ist der Marienplatz rammelvoll, wenn die Iwanson Company auftritt. Und ebenso mächtiger Publikumsandrang 1983 bei der IGA/Internationalen Gartenausstellung, wo die „Iwansons“ die Westpark-Seebühne mit Tanz beleben. Es gibt Vorstellungen in der Musikhochschule, im Iwanson-Studio (Stefan Sixt hatte eine zusammenschiebbare Tribüne einbauen lassen!), in der Alabama-Halle, im Carl-Orff-Saal des Gasteig. Dort wurde diesen Mai drei Tage lang das 40. Iwanson-Jubiläum gefeiert mit Choreografien der Chefin aus drei Jahrzehnten, aber auch mit Arbeiten ehemaliger Schüler, unter anderem von Patrick Delcroix, Ex-Solist des Nederlands Dans Theaters, und von Johannes Härtel, der inzwischen, wie Sixt verrät, „in die Schulleitung einbezogen ist“.

Das „System Iwanson“ hat ganz automatisch choreografische Anlagen gefördert. Denn wer bei ihr Tanzausbildung machte, tanzte auch in ihrer Company – und war auf diese Weise kopfkörperlich in den Entstehungsprozess ganz unterschiedlicher Stücke involviert. Denn Iwansons Arbeit insgesamt, von „Zugvögel“, „Nordpol“ und „Schnee“ bis zu „Nightbirds“, „Ein Puppenheim“ nach Ibsen, „Gesichter“ nach Garcia Lorca, „Ballroom“ und „Hotel Danube“, um nur einige Titel zu nennen, umfasst die Palette vom abstrakten („Natur“-)Stück bis zu dramatischer Erzählung und Tanz-Comedy. Im komischen Genre war übrigens die schöne, dabei so sympathisch uneitle Jessica immer eine hinreißende Clownin.

 

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