Triple Bill and double A-Quality
Balé da Cidade de São Paulo bringt drei Deutschlandpremieren ins Forum Ludwigsburg
„Und sogleich begann er sich mit seinen Genossen in den Verschlingungen der Tanzfiguren zu drehen mit so viel Wendungen und so vieler Gewandtheit, dass Don Quijote, wiewohl er des Anblicks von derlei Tänzen gewohnt war, keinen je so reizend gefunden hatte.“ So beginnt Cervantes die Beschreibung der Festlichkeiten mit allerlei Tänzen anlässlich der Hochzeit des Camacho, eine Episode, die Komponisten, Librettisten und Choreographen zu allen Zeiten immer wieder inspiriert hat. In diese Riege kann sich seit kurzem auch Eugenio Scigliano einreihen. Einst bester Tänzer Italiens, bändigt der Nachwuchs-Choreograf die entfesselte Bagage in wunderschönen Gruppenbildern und das Publikum im Ludwigsburger Forum am Schlosspark ist restlos begeistert.
In seinem „Don Q“, eine Auftragsarbeit des Aterballetto, skizziert Scigliano den Prototyp eines Künstlers. Während sein Knappe Sancho Panza sich vom schwindelerregenden Sog mitreißen lässt, betrachtet Sciglianos Ritter von der traurigen Gestalt das ausgelassene Treiben mit gemischten Gefühlen. Verarmter Landadel und Bauern in Fetzenröcken, Schnürmiedern, losen Hemden und weiten Hosen tanzen, beflügelt von spanischer Gitarrenmusik, als gäbe es kein morgen. Sie rennen, springen und gehen im Überschwang zu Boden. Einzelne parodieren kleine Demutsgesten, um flugs, als sei nichts gewesen, wieder in die Höhe zu schnellen. Als seien sie Goya-Bildern entsprungen, wirft diese Tänzerschar Arme und Beine in die Luft. Sie torkeln, trudeln und sind durchpulst von unbändiger Lebensfreude, die sich oft in schraubenden Drehbewegungen äußert. Ein weinselig dionysischer Rausch, der zum Bild erstarrt, den Träumer fassungslos mustert.
Die Deutschland-Premiere von „Don Q“, der jüngsten, Ende Januar in Bozen uraufgeführten Produktion der Italiener, ist Schlusspunkt eines dreiteiligen Programms, das mit „Les Noces“ (Bauernhochzeit) beginnt. Zur gleichnamigen Musik von Strawinsky, bindet der Hauschoreograf Mauro Bigonzetti diese Tanzkantate in ein heftiges Ritual ausgezirkelter Abläufe voll extremer Leidenschaft und skulpturaler Posen in hartem Licht. Zelebriert werden die Stationen der Ehe auf einem langen Tisch. Zugleich Altar und Festtafel, trennt er als Hürde die Sphären von Mann und Frau. Um 90 Grad gedreht wird er zur verbindenden Brücke zwischen den Geschlechtern, die die Höhen und Tiefen der Liebe durchleben.
Formaler noch ist Bigonzettis „Intermezzo“ zu Strawinskys „Suite italienne“, in der jedes der vier Paare ein Bravour-Stückchen mit einer Fülle kleiner Schikanen zeigt. Beispielsweise tragen die Männer die Frauen verknotet wie eine Kamasutra-Brezel um den Hals, schwenken das schwere Schmuckstück nach rechts und links, nach hinten und vorne, wobei die Mädchen schwungvoll ihre Beine nach oben öffnen, wodurch der Eindruck des Aufblühens entsteht.
Unglaublich und doch formvollendet, was Bigonzetti dem Ensemble an technischen Fertigkeiten, Extrem-Verrenkung und musikalischer Finesse abverlangt. Wesentlich organischer, weicher und natürlicher ist die Tanzsprache von Scigliano zu kontrastierender Musik. Zwischen Stücken wie „Asturiana“ von De Falla und fantastischen Klangexperimenten von Kimmo Pohjonen bewegt sich der Antiheld der Weltliteratur. Dieser sympathische Träumer und Kämpfer verwandelt sich zu einem beunruhigenden Sinnbild des Künstlers, der nicht aufgibt für seine Visionen zu kämpfen.
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