Ein großes Making of

ZKM eröffnet die Ausstellung „Moments. Eine Geschichte der Performance in 10 Akten.“

Karlsruhe, 15/03/2012

Zu den großen Momenten der Kunstgeschichte gehören Widerstand und Attacke. Was dem bürgerlichen Kunstverständnis heilig ist, wird von einer radikalen Avantgarde in den 60er Jahren in Frage gestellt. In Happening, Fluxus und Aktionskunst rücken Musiker, Bildende Künstler, Architekten und Literaten näher zusammen, arbeiten spartenübergreifend im Bestreben, die Trennung zwischen Kunst und Leben aufzuheben. Neue Medien wie Video und Film rufen Künstlerinnen an die Innovationsfront.

An der Schnittstelle von Raum und Zeit sind Körper, Präsenz sowie der spezifische Aufführungsort entscheidende Bezugsgrößen. Aufbruchsstimmung auch in den Darstellenden Künsten: Experimentelles Theater, Postmoderner Tanz und Tanztheater brechen in den 60er und 70er Jahren mit Aufführungskonventionen. In der Ausstellung „Moments. Eine Geschichte der Performance in 10 Akten.“ folgt das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) den innovativen Spuren dieser Avantgarde. Während der achtwöchigen Laufzeit des Ausstellungsprojekts entwickelt sich ein Szenario rund um zehn Künstlerinnen der Tanz- und Performancegeschichte.

Die Kuratorin Sigrid Gareis (Tanz) setzt zwei Schwerpunkte: das deutsche Tanztheater ist durch Reinhild Hoffmann (1943) vertreten, der amerikanische Postmoderne Tanz durch die Grande Dame des kalifornischen Tanzes Anne Halprin (1920). Sie gründet bereits 1955 den San Francisco Dancer‘s Workshop, aus dem sowohl Simone Forti (1935) als auch Yvonne Rainer (1934) hervorgegangen sind. Forti, die zwischen Westküste, New York und Rom pendelt, hat durch viele Begegnungen mit Ausnahmekünstlern wie Merce Cunningham, Martha Graham, Robert Whiteman, La Monte Young, Terry Riley und Yoko Ono einen ganz individuellen Stil entwickelt. In der Ausstellung zeigt sie ihre Klanginstallation „Face tunes“. Rainer, die 1962 zu den Gründern des Judson Church Theater zählt und zweimal an der Documenta teilgenommen hat (zuletzt mit 2007 mit dem Werk „RoS Indexical“) wendet sich in den letzten Jahren dem Film zu.

Konzeptkunst, Fotografie, Film und Performance sind Ausgangspunkte für Künstlerinnen wie Marina Abramović (1946), Graciela Carnevale (1942), Lynn Hershman Leeson (1941), Channa Horwitz (1932), Sanja Iveković (1949) und Adrian Piper (1948), die der Kurator Georg Schöllhammer (Bildende Kunst) zusammen gestellt hat. Gemeinsame Fragenstellungen untermauern die Ausstellungsdramaturgie: Wie lässt sich eine flüchtige Kunstform dokumentieren? Welche Möglichkeiten bietet der museale Raum? Dokumentation und Archivierung war gestern. Der Trend geht zum Work in Progress, zum öffentlichen Making-of, kurz zu Performativität und Transparenz.

Nach der vorbereitenden Phase der Künstlergespräche und dem allmählichen Aufbau der Ausstellung, beginnt mit der Eröffnung am 17. März das künstlerischen Labor (18. bis 30. März). Der französische Choreograf Boris Charmatz wird anwesend sein, um mit Kolleginnen und Kollegen aus Kunst und Wissenschaft zu diskutieren, um Strategien der Aneignung und Methoden der Re-Interpretation zu erproben. Die Filmerin Ruti Sela begleitet diese Phase mit der Kamera. Ihr kann man bis 14. April bei der „Post-Production“ über die Schulter gucken. „Remembering the Act“ heißt die letzte Phase (15. bis 29. April), in der Studenten, die bis zu diesem Zeitpunkt als teilnehmende Beobachter (so genannte Zeugen) zugegen sind, die Vermittlung übernehmen.

Bis auf hohe Regale, weiße Podien und ein paar Stühle ist der Lichthof des Museums für Neue Kunst noch leer. Er bietet viel Raum, sowohl für die Eröffnungsperformance mit dem Titel „Practice Makes a Master“ (Übung macht den Meister) von Sanja Iveković, als auch für die 50.000 Zuschauer, die bis Ausstellungsende erwartet werden.

Info: Ausstellung „Moments. Eine Geschichte der Performance in 10 Akten.“ Vom 17. März bis 29. April im ZKM Karlsruhe. Eröffnung am 17. März um 16 Uhr.

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