time to say goodbye

Münchner Tanztheater feiert gebührenden Abschied

München, 07/07/2012

„Tanz Total“ – ein letzter Auftritt von Hans Henning Paars Münchner Tanztheater am Gärtnerplatztheater, diesmal in der Freien-Szene-Spielstätte "schwere reiter". Aber keine Spur von Abschiedswehmut. Alle haben ja auch schon neue Engagements: bei der Stuttgarter Gauthier Dance Company, im englischen Leeds, in Radebeul, Regensburg, in Münster, wohin Tanzchef Paar wechselt, oder am Gärtnerplatztheater unter dem kommenden Tanzchef Karl Alfred Schreiner.

Außerdem verlangte dieses tanzkompakte Programm alle Kraft und Konzentration. Besonders, da neben sechs Gärtnerplatz-Mitgliedern auch die beiden freien Tanzfrauen Claudia Senoner und Katja Wachter choreografierten. Das war fürs Ensemble ungewohnt, von Chef Paar aber als Herausforderung genau so gewollt. Wachters „Theoretisch Tanzen“ ist denn auch eher knifflige Versuchsanordnung als Wohlfühl-Stück. Mit ihrer Experimentier-Besessenheit und pädagogischem Gespür – sie ist Dozentin an der Bayerischen Theaterakademie – vermochte sie es aber, fünf Tänzer zu redend-bewegten Synchronkörpern zu wandeln. Sie frei zu machen für Darstellerisches. Großartig David Valencia als absurde Sprachmaschine. Claudia Senoners „LovexLove“, apart durch Mark Lorenz Kyselas scharrende, fiepende, knarzende Live-Elektronik-Musik, absolvieren sieben Tänzer souverän. Senoners Schrittmaterial ist anspruchsvoll-interessant, geht auch abwechslungsreich in den Raum. Ein greifbarer Charakter des Stücks lässt sich jedoch kaum ausmachen.

Auch die anderen Gruppenstücke sind eher nur gut modellierte Bewegungsgebilde zu diversen rhythmisch pointierten Pop- oder sanft wiegenden Minimalmusiken. Vielleicht könnte man „Number Trip“ der Taiwanesin Hsin-I Huang als ein vorüberschnurrendes Ballett von Animationsfiguren charakterisieren; David Valencias „Dream Fiction“ als diffus surrealen Albtraum. Erik Constantins „Camino“ als abstrakten „Weg“ für vier Tänzer, das auffällt wegen seinem unspektakulär eigenwilligen Vokabular.

Im Gedächtnis bleiben einem aber vor allem „inhaltliche“ Stücke. „In-Contro“ des Italieners Francesco Annarumma ist eine neoklassisch entworfene Dreiecksgeschichte, gewiss ein bisschen südländisch schmachtig, aber als Debütarbeit respektheischend. In „Aus/Druck“ von Artemis Sacantanis treten vor projizierten „Sphinx“-Bildern (von Künstlerin Korinna Krauss) die Gärtnerplatz-Sopranistin Elaine Ortiz Arandes und Tänzerin Rita Barao Soares in einen Dialog. Lieder, Stimmlaute und die von Soares so eindringlich ausgeführten Bewegungen verdichten sich zu einem Tanzpoem. Sacantanis, ab jetzt – nach 40 Jahren am Gärtnerplatz – Ruheständlerin, wird hoffentlich die Choreographie nicht aufgeben. Am meisten beeindruckt hat uns Sandrine Monins „Up Your Backyard“. Es war sichtbar, dass sie mit der Crème der Nouvelle Danse Francaise studiert hat. Zudem hat sie in Lieke Vanbierfliet und Marcos Mariz zwei völlig an diesen Pas de deux hingegebene Interpreten. Hier ringen zwei in kraftvollen leidend-liebenden Bewegungen um ihre Beziehung.

Heute, 7. 7. und morgen, 8. 7, jeweils 19 Uhr.

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