Tanzen hilft!

Bewegt und bewegend feiert Horst Koegler seinen 85. Geburtstag mit der Staatlichen Ballettschule in Berlin

Berlin, 24/03/2012

„Wir sind stolz, wir sind froh, denn das ist eine Ehre für die Staatliche Ballettschule in Berlin, die Studierenden, die Lehrenden und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, so die Rektoren Prof. Dr. Ralf Stabel und Prof. Gregor Seyffert in ihrer Begrüßung. Und zu begrüßen gilt es einen Jubilar, den der Tanz stets bewegt hat und dessen geistige Bewegung auch an seinem 85. Geburtstag dem Tanz und jetzt vor allem künftigen Tänzerinnen und Tänzern gilt. Horst Koegler feiert seinen 85. Geburtstag in Berlin und beschenkt die Staatliche Ballettschule Berlin, die ihm wiederum an seinem Ehrentag einen so freundlichen wie ehrenvollen und angemessenen Empfang bereitet.

Tanzen und Wissen gehören für Deutschlands dienstältesten Ballettkritiker zusammen, deshalb übergibt Horst Koegler seine Bibliothek, die schon jetzt nach ihm benannt ist, der Ausbildungsstätte. Bücher, Zeitschriften, Programmhefte, Tonträger und DVDs, mehr als ein halbes Jahrhundert Tanzgeschichte und Geschichten dürften in dieser außerordentlichen Sammlung dokumentiert sein. Und über diese vielen Jahre hinaus, die Koegler selbst erlebt hat, deren Dokumente er aufbewahrt hat, dürfte es tanz- und kulturgeschichtlich eine Zeitspanne sein, die über Jahrhunderte zurückreicht, denn in seinen Aufsätzen, in den Beschreibungen, Kritiken, in den von ihm herausgegebenen Lexika, ging und geht es ja auch immer darum, diese flüchtigste aller darstellenden Künste, die so ganz dem Glück des Augenblicks verpflichtet ist, in Zusammenhängen zu sehen, deren Geschichte und Geschichten weit zurückgehen, bis zu denersten Überlieferungen bewegter künstlerischer Äußerungen und Entäußerungen der Menschheit.

So wie das Geschenk des Jubilars dem tanzenden Nachwuchs gilt, so gestalten die Studierenden ein Programm, das die Jüngsten aus dem zweiten und vieren Ausbildungsjahr eröffnen mit der „Kindermazurka“ aus Glinkas „Paquita“. Die „Älteren“, schon ein Stück weiter auf dem Weg, können dann auch zeigen, dass Talent und Können eine Sache sind, Persönlichkeit und Ausstrahlung eine andere, gerade wenn es darum geht, „Klassiker“ zu präsentieren. Vier kurze Ausschnitte, mehr als Talentproben, etwa wenn Glauber Mendes Silva mit Variationen aus dem Bauern-Pas de deux in der Choreografie von Jean Coralli aus „Giselle“ tanzt, oder Alicia Ruben Variationen aus „Paquita“ in der Choreografie von Marius Petipa, beide im fünften Jahr der Ausbildung. Im achten Jahr der Berliner Ausbildung ist Ronan dos Santos Clemente, er erntet Begeisterung für seine jugendlich, kraftvollen Variationen aus dem Pas de deux „Diana und Aktäon“ aus „Esmeralda“. Die technische anspruchsvolle Bravour von Petipa hat Olaf Höfer einstudiert. Ebenfalls im achten Jahr der Ausbildung ist Obengül Polen Gezmis mit ihrer erfreulichen Variation der Fliederfee aus „Dornröschen“. Nach den „Klassikern“ ein Sprung in die Gegenwart, in freundlicher Mischung aus Pop und Show und Scherz, in eigener Choreografie, eine Szenenfolge unter dem Titel „Bodyslang“, von Schülerinnen und Schüler des dritten Ausbildungsjahres vorgestellt.

Der Jubilar, das 85jährige Geburtstagskind, sitzt in der ersten Reihe und lässt sich gerne beschenken. Es hat schon seinen Sinn, hier zu feiern, denn im Berlin der 50er Jahre begann Horst Koegler für und über das Ballett zu schreiben. Hier empfing der junge Mann seine entscheidenden Anregungen, hier lernte er die Entwicklungen des Tanzes kennen, geprägt von den Einflüssen des Westens, geprägt von denen des Ostens. Hier erlebte er Neubesinnung auf den Tanz, auf das Ballett, vom Tanztheater war noch nicht die Rede, und die Ikonen der einstigen Moderne, Gret Palucca oder Mary Wigman hatten nicht mehr die Kraft der Ausstrahlung von einst. Aber noch andere, weitere Namen wären zu nennen, Aufführungen, Premieren, Uraufführungen, Gastspiele, im Osten und im Westen der Stadt. Horst Koegler hat die Erinnerungen aufgeschrieben. An seinen Ehrentag werden sie vorgetragen von zwei Studenten, Till Zundel und Enno Kleinehanding dürften etwas jünger sein als Koegler damals in Berlin, aber hier zählt die Geste und der wunderbare Moment dabei zu sein, wenn Erinnerungen so lebendig werden können.

Bleibt nur zu hoffen, dass es bald möglich ist selbst nachzulesen, was und wer in der Berliner Aufbruchsstimmung für Bewegung sorgten. Am Ende dann, im Gespräch, da blitzt doch noch etwas auf, vom Horst Koegler, dem Streitbaren, „oe“ wie er zeichnet in seinem Journal, und er spricht ihn an, seinen Unmut darüber, dass es keine Zeichen gibt, durch die John Cranko Erben vom angehäuften Kapital der Tantiemen etwas in Stuttgart für die Förderung des Nachwuchses einzusetzen. Noch einmal das Bekenntnis zur Verbindung von Tanz und Musik zu eben jener Form des Ausdrucks, die der Worte nicht bedarf und der für „oe“ meisterhaften Symbiose aus Klang und Bewegung bei George Balanchine. Ansonsten aber mildere Töne, von kleineren Blitzen im Nebensatz abgesehen, was den Alleinvertretungsanspruch einer großen deutschen Tageszeitung in Sachen Tanz angeht.
Es bleibt den Veranstaltern vorbehalten, den Kritiker Koegler zu loben und unter starkem Beifall der Studenten zu betonen, Kritik ja, auf jeden Fall, aber im Hinblick auf die Personen, auf die Tänzerinnen und Tänzer gilt es die Integrität der Menschen zu achten, und dies zeichne ihn aus, „oe“, 85 Jahre alt und doch noch immer 85 Jahre jung, das muss am Tanz liegen, an denen, die tanzen und dem großen Glück, dabei sein zu dürfen.

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