Hai, doozo! (Ja, bitte!)

„Pénombre“ von Rosalba Torres Guerrero gastiert bei den Schlossfestspielen

Ludwigsburg, 05/07/2011

Eine kauernde Japanerin, quer an die Wand projiziert. Stehend, wie ausgewrungen drehen sich ihr Ober- und Unterkörper gegeneinander, so dass oben Brust und Gesicht, unten der Hintern den Betrachter anschauen. Ein trauriges, weiß geschminktes Gesicht beginnt Grimassen zu schneiden, langsam überblendet vom Bild einer geöffneten, rosaglänzenden Vagina. Verfremdungseffekte, die nur medial möglich sind, geworfen an weiße Wände, die wie ein großer Paravent auf der Bühne des kleine barocken Schlosstheaters die höfische Historie abschirmen und den Blick konzentrieren auf die Tänzerin.

Rosalba Torres Guerrero (Tanz, Choreografie, Inszenierung) hat sich in „Pénombre“ (Zwielicht), einer Produktion der Ballets C de la B, unter einem dunklen, zotteligen Fell versteckt. In der alemannischen Fasnet würde man es ein Häs nennen, aus dem sie sich peu à peu heraus schüttelt und schält. Viel Bodenarbeit, mal spreizt sie die Beine Richtung Videoprojektion, mal schlägt sie sie in kunstvollen Balancen übereinander. Vom Fell befreit und bis auf einen hautfarbenen Slip nackt, entwickelt sich über eine Stunde ein Dialog mit dem französischen Grafiker Lucas Racasse (Video). Der erscheint als Schatten, bringt einen Vorhang aus Muscheln zum Klingen, verschwindet wieder.

Statt seiner fliegt das Abbild der japanischen Schauspielerin Uiko Watanabe über die Wand, streift den Körper der grazilen Tänzerin. Im Videobild vergrößerte Schuppen und schwimmende Fische, beengt kämpfen sie Leib an Leib in schäumendem Wasser ums Überleben. Im Spannungsfeld zwischen Archaik, Erotik und Elektronik entsteht eine diffuse Gemengelage von Symbolik, aufgeladen durch japanische Satzfetzen und eine Geräuschcollage (Sam Serruys). Mehr als an Inhalten ist Torres Guerrero an sinnlichen Qualitäten und einer ästhetischen Auseinandersetzung mit Japan interessiert.

Angeregt durch „Lob des Schattens“ des Schriftstellers Jun’ichirō Tanizaki, den Aktfotos des Surrealisten Man Ray sowie des Japaners Nobuyoshi Araki, aber auch Bildern von Jeroen Bosch und Francis Bacon, nähert sie sich der Pforte ins wie auch immer konnotierte Zwielicht. Die Tabuisierung von Schamhaar als auch die Zurschaustellung enthaarter weiblicher Genitalien in Strip- und Tabledance-Shows ist Japankennern bekannt. Mit „Hai, doozo!“ (Ja, bitte!) fordern die Tänzerinnen zum genauen Hinschauen auf die nackten Tatsachen auf. Was den ultimativen Kick männlicher Schaulust ausmacht, kann man in Arakis Fotoalmanach „Tokyo Lucky Hole“ nachblättern. Bei der Choreografin Torres Guerrero endet die teils aalglatte, teils haarige Tanz-Allianz mit Bocksprüngen und Drehetüden, nun im Häs, das wie ein schulterfreies Abendkleid (Kostüme: Sara Judice de Menezes) die Tänzerin umhüllt. Anerkennender Applaus für den abenteuerlichen Ausflug ins Reich der Schatten, Schuppen und Sinne.

www.schlossfestspiele.de
www.lesballetscdela.be

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