Raum für Entdeckungen

Anlässlich der am 1. April erfolgten Online-Schaltung des mit Spannung erwarteten interaktiven Internet-Projekts „Synchronous Objects For One Flat Thing, reproduced“ am Wexter Center for the Arts in Columbus, Ohio, präsentierte William Forsythe sein ambitioniertes Projekt am 8. April auf einer stark besuchten Veranstaltung mit Tanzplan Deutschland in den Uferstudios Berlin-Wedding. Viel Grund zur Freude bei allen Beteiligten. Das Projekt ist Ergebnis einer vierjährigen Zusammenarbeit zwischen der Forsythe Company, dem Advanced Computing Center for the Arts and Design (ACCAD) und dem Department of Dance der Ohio State University. Finanziert wird das Vorhaben durch The Forsythe Company, The Forsythe Foundation, The Ohio State University Office of Research, Rotterdamse Dansacademie/Codarts und Tanzplan Deutschland, einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes.

Es geht um das spielerische Kennenlernen und Enthüllen der menschlichen Wahrnehmung in komplexen Umgebungen. „This is Dance to other eyes. Dieses Projekt ist Resultat einer persönlichen Philosophie“, so Forsythe einleitend. „Tanz steht unten in der künstlerischen Ernährungskette. Wir sind nicht verdinglicht. Wir haben keinen Text. Um die vorhandenen Notationen lesen zu können, muss man Fachmann sein. Wenn wir im Tanz ein informiertes Publikum ausbilden möchten, müssen wir es und uns bilden. Das ist der Versuch zu kommunizieren und der erste Versuch für eine interaktive Bibliothek für Tanz.“

Per Großleinwand konnten die Teilnehmer einen ersten Eindruck von verschiedenen Möglichkeiten Bildschirm-basierter Visualisierungsformen (Video, digitale Kunst, Animation, interaktive Grafik) gewinnen, die das Ineinandergreifen unterschiedlicher Organisationsstrukturen innerhalb dieser Choreografie veranschaulichen. Das Stück von William Forsythe ist nach Schnittstellen kontrapunktisch visualisiert. Wie aber entstehen die Muster, in denen 17 Tänzer und 20 Tische eine enorme Dichte vernetzter Themen und Variationen erzeugen? Die Visualisierung zeigt, dass und wie alle 17 Tänzer in diesem Modellbeispiel Verantwortung für das ganze Stück tragen. Die Visualisierung ihrer Cues in handgezeichneten Linien erhellt die Beziehungen, die sie verursachen. Nik Haffner, Computerdanceartist, unterstrich den Eigenwert der Animationen, die auf andere Art zu tanzen beginnen. Das Auditorium war fasziniert und auch amüsiert über virtuelle Einblicke in Movement Material, Alignment Forms, Movement Density.

„Das Counterpoint Tool ist hier das erste choreografische Werkzeug“, so Forsythe. „Es demonstriert an den zwölf Zeigerstellungen der Uhr choreografische Eigenschaften – Shape, Speed, Motion. Die Änderung nur eines Parameters produziert Veränderungen, die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt.“ Das choreografische Objekt beinhaltet fundamentale Eigenschaften. „Für mich“ ,so Forsythe mit Nachdruck, „ist Choreografie kein Zufall. Wir Choreografen sind letztendlich Organisatoren.“ Das vielgestaltig und klar untergliederte Tool gibt per Animation „ein Bild von den Absichten. „One Flat Thing, reproduced“ ist ein vollständig konstruiertes Stück. „One Flat Thing, reproduced“ funktioniert wie ein großes klassisches Ballett. Dessen Prinzipien sind hier ausgeweitet. Das Tool ist eine Annäherung, kein Modell. Es existiert eine fundamentale Mechanik innerhalb einer komplizierten Struktur“, so Forsythe. Seine choreografische Arbeit betrachtet er als ein striktes Verfahren der Bewegungserforschung mit offenem Ausgang. Der produktive Zweifel treibt ihn an. Forsythes Grundüberzeugung bleibt: „Tanz ist reiches inhaltliches und organisatorisches Denken“. Er weiß, wovon er spricht. Nun können weltweit alle Interessierten, ob als Tänzer, Zuschauer, Studenten verschiedenster Fachrichtungen oder Kritiker lustvoll ihre Augen und ihre Offenheit für die Interaktion verschiedenster Disziplinen trainieren.

Ein Klick auf http://synchronousobjects.osu.edu öffnet die kreative Spielwiese dieser ersten interaktiven Tanz-Partitur.