Kunst hoch drei als Spiegel des Lebens

Egon Madsen und Gauthier Dance mit „M.M. & More“ im Grand Théâtre de Luxembourg

Luxemburg, 24/11/2009

Am 3. Dezember hat der neue Gauthier-Dance-Abend „M. M. & More“ im Theaterhaus Deutschlandpremiere. Der Produktionspartner aus Luxemburg durfte sich jetzt schon über den Auftritt freuen. Was will man mehr? Márcia Haydée zeigt ihren „Schwanensee“. Jirí Kylián ist mit Michael Schumacher zu Gast. Sasha Waltz hat sich mit „Traveloque“ angesagt. Anne-Teresa de Keersmaeker kommt. Ebenso Frédéric Flamand, Akram Khan und Alain Platel. Das Nederlands Dans Theater ist sowieso die ganze Saison über im Grand Théâtre de Luxembourg gegenwärtig, und gemeinsam mit Javier de Frutos, Russel Maliphant und Wayne McGregor bestreitet Sidi Larbi Cherkaoui in wenigen Wochen das 100- Jahr-Jubiläum der Ballets Russes mit einem Programm „im Geiste Diaghilews“. Sich unter die Besten eingereiht zu sehen ist an und für sich schon etwas Spezielles. Aber dann noch von den Zuschauern in einer ausverkauften Wiederholungsvorstellung so gefeiert zu werden wie Egon Madsen und Gauthier Dance, muss einer den Mannen (und notabene auch den drei Frauen) aus Stuttgart erst einmal nachmachen.

Tatsächlich könnte man den Eindruck haben, als handelte es sich bei „M. M. & More“ um ein Heimspiel, so herzlich ist der Empfang. Kein Wunder, ist doch Eric Gauthier im Luxemburgischen durch viele Vorstellungen bekannt. Eigentlich müsste er gar nicht sein Publikum beknien und in „Les Bourgois“ um Feuer bitten. Er tut es dennoch, gibt seinem Affen tanzend Zucker – und bescheidet sich nach der großen Pause mit einem Kleinauftritt als Charlie Chaplin in „M. M.“ Schließlich ist er an diesem Abend als Choreograf mit drei Stücken schon genug präsent. Eins davon, „Quilt“, kennt man bereits aus Stuttgart: ein eher zwiespältiges Duo, zu dem sich Gauthier nach einem Besuch der Ausstellung „Bosna Quilt Werkstatt“ hat inspirieren lassen. Feingliedrig getanzt von Garazi Perez Oloriz und Giuseppe Spota, gewinnt es beim wiederholten Sehen an Dichte. Neu ist – neben den eher überflüssigen „Weird Fishes“ von Francesco Nappa – ein komplettes „Orchestra of Wolves“, dem Armando Braswell zu Beethovens Musik als ein todesmutiger Dirigent die Stirn bietet: ein typischer Gauthier-Act voller Gags, über den man nichts verraten sollte.

Hauptwerk des Abends ist „M. M.“, eine Hommage à Marcel Marceau, die Egon Madsen Gelegenheit gibt, sich seiner eigenen Anfänge am Pantomimentheater im Kopenhagener Tivoli zu erinnern. Natürlich ist das lange her, aber sein Körper hat das Spiel mit den stummen Gesten nie vergessen. Und hat sich der einstige Star des Stuttgarter Balletts erst einmal geschminkt, ist die Metamorphose makellos. Madsen alias Marceau alias Bip: Das ist gleichsam Kunst hoch drei, und wenn das Entree mit der Stimme Adolf Hitlers aus dem Off auch etwas plakativ gerät, erklärt es immerhin seine „Maskierung“. Schließlich weiß kaum jemand um die jüdische Vergangenheit von Marcel Mangel, der den eigenen Vater im KZ verlor – und deshalb ist auch im Ballett ein bisschen Geschichtsunterricht nie verkehrt. Gauthier „rekapituliert“ das Leben des legendären Künstlers in fünf Szenen, und keine von ihnen ist überflüssig, wenn auch nicht so überzeugend gelungen wie die mit seinen Schülern: eine schöne Ensembleleistung, die das Pantomimische ebenso leichtfüßig wie spielend vertieft. Höhepunkte sind allerdings erwartungsgemäß Kabinettstücke wie „Bip als Matador“ oder „Jugend – Reife – Alter – Tod“, die sich Egon Madsen so behutsam und bewegend anverwandelt, als wäre er einst als Eleve bei dem Elsässer aus Straßburg in die Schule gegangen. Was will man mehr?

www.theaterhaus.de

 

 

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