Es geht nicht mit – es geht nicht ohne

Die Tanzcompagnie Oldenburg und das Tanztheater Bremen laufen in der Zusammenarbeit zu Höchstform auf.

Oldenburg, 21/04/2009

Das Gejammer um drohende Fusionen wird seit Beginn der Finanzkrise wieder lauter. Dass Fusionen aber nicht immer negative Folgen haben müssen, sondern ganz im Gegenteil zu einem äußerst positiven und erfolgreichen Ergebnis führen können, beweist das Projekt „Nordwest“ bereits in der zweiten Spielzeit. Die Tanzcompagnie Oldenburg und das Tanztheater Bremen tauschen dabei ihre Stücke und Bühnen und bereichern so gegenseitig ihre Spielpläne. Den vollen Umfang der positiven Energie dieses Austauschs setzten sie allerdings erst dann frei, wenn sich die Tänzer beider Städte in einem gemeinsamen Stück vereinen, so wie an diesem Abend im Oldenburgischen Staatstheater.

Die norwegische Choreographin Ingun Bjørnsgaard hat mit „Largo“ ein Stück geschaffen, das die beiden Kompanien verschmelzen lässt, so dass man sie als eine Einheit wahrnimmt. Unterschiede sind nicht zu erkennen. Die Leistung aller Tänzer ist herausragend, das hohe Niveau der Choreografie, die anspruchsvollen Hebefiguren, Balancen und Sprünge, erfüllen sie mit einer unglaublichen Leichtigkeit. Dazu fügen sich Bühnenbild, Musik und Handlung so schön ineinander, dass das Publikum von der ersten bis zur letzten Sekunde vollkommen im Bann des Stückes steht. Das rasante Tempo tut sein übriges dazu. Zeit Luft zu holen bleibt nicht. Dabei lässt der Stücktitel „Largo“ in Anlehnung an das langsame Tempo in der Musik etwas anderes vermuten. „Largo“ ist aber auch der Begriff für Musikstücke, die sich mit den Themen Nacht und Traum auseinandersetzen. Und das Spiel mit Traum und Wirklichkeit, Realem und Irrealem ist tatsächlich Grundthema des Stücks.

An allen drei Wänden, die den Bühnenraum begrenzen, gibt es jeweils eine gelbe Tür. Durch die erste treten Personen ein, bewegen sich langsam in den Raum. Scheinbar aus dem Nichts tauchen auch auf den anderen Seiten Personen auf, ohne dass sich eine weitere Tür geöffnet hätte. Einen Moment lang zweifelt man am eigenen Wahrnehmungsvermögen bis man erkennt, dass die vermeindlichen Wände aus Stoffbahnen bestehen. Aus ihnen schaut mal ein Arm, mal ein einzelnes Bein, Tänzer schlüpfen heraus oder werden regelrecht von den Wänden verschluckt. Ein Szenario wie aus einem Albtraum. Im Raum selbst finden sich auf diese Weise immer neue Paarungen, die kleine Bewegungsgeschichten erzählen. Dabei zeigt sich das choreografische Geschick von Ingun Bjørnsgaard. Sie findet spannende Möglichkeiten die Partner miteinander spielen zu lassen und in waghalsigen Aktionen miteinander in Kontakt zu treten. Nur Millimeter vor dem Aufprall fängt ein Partner den anderen auf, wirft sich mit voller Wucht in seine Arme oder wirbelt ihn über die Schultern. Diese sehr akrobatischen Elemente machen die Begegnungen unglaublich spannend. Dabei fordern die Frauen einerseits deutlich ihre Rechte ein vom männlichen Partner gehalten und gestützt zu werden, zeigen andererseits aber auch eigene Stärke, indem sie gleichberechtigt die Männer über die Bühne wirbeln oder schleppen. Jede der Begegnungen spiegelt etwas von der Ambivalenz des ganzen Stücks wieder. Die Beziehung zwischen den Partnern ist immer zwiespältig und bewegt sich stets an der Grenze zwischen Verlangen und Ekel, zwischen Liebe und Hass. Ganz nach dem Motto. Es geht nicht miteinander, aber ohne einander geht es eben auch nicht. Diesem Gefühl körperlichen Ausdruck im Tanz zu geben ist hier wunderbar dargestellt.

Die Gegensätzlichkeit spiegelt sich auch in den barocken Klängen von Telemann, Bach oder Händel wieder, die einen deutlichen Kontrast zu der eigens für das Stück entstandenen Komposition von Per Henrik Svalastog darstellen, der eher mit futuristischen Klängen arbeitet. Erklingen diese, werden die weichen, runden und lyrischen Bewegungen eckiger, abgehackter und wirken in manchen Momenten beinahe maschinenartig. Einen besonderen Effekt bewirkt die plötzliche Veränderung des Bühnenbilds am Ende. Die Wände klappen herunter und es bleiben zwei Ausschnitte, die wie überdimensionale Bilderrahmen aussehen, in deren Inneren die Tänzer das Porträt gestalten. Eine Gruppe von Männern lacht herzlich über einen Scherz, doch kaum merklich wandelt sich die Situation zu einem Bild stiller gemeinsamer Trauer. Diese Effekte versetzten den Zuschauer in eine Art Spukhaus. Auch der große weiße Eisbär ist ein Element der Traumwelt, die immer wieder in die Realität einbricht, dazwischen wird getanzt, dass die bunt-transparenten Kostüme nur so fliegen. Das Fazit für diesen Abend: Bremen und Oldenburg – ohne einander geht es nicht mehr.

Weitere Vorstellungen: 25.4., 2.5., 5.5., 14.5., 21.5., 22.5., 28.5.
Ticketinfo: http://www.staatstheater.de

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