Apollinische Klarheit und expressive Dynamik
„Energetic Emotions“ am Oldenburgischen Staatstheater
Antoine Jully und Carolina Sorg, eine Erfolgsgeschichte am Oldenburgischen Staatstheater
Sie sind ein gutes Team - und ein solidarisches Ehepaar obendrein: seit neun Jahren lenken Antoine Jully und Carolina Sorg die Geschicke der Ballett Compagnie am Oldenburgischen Staatstheater. Er ist der Kreative, sie seine Assistentin und Probenleiterin, auch das tägliche Balletttraining liegt in ihren Händen. Mit dem wachen Blick der erfahrenen Bühnentänzerin sieht sie jede kleine Veränderung in der sensiblen inneren Balance der Tänzer*innen. Sorg: „Wir sind sehr genau, geben viele Korrekturen und arbeiten an der Feinheit der Bewegungen. Ich sehe alles! Das ist wichtig, denn wenn man Fehler in der Haltung nicht korrigiert, wie sehen dann die Tänzer in drei Jahren aus?“ Die physische Leistungsfähigkeit der Tänzer*innen zu erhalten, ist ihr oberstes Ziel.
In den vergangenen Jahren haben die beiden die Oldenburger Compagnie auf eine bemerkenswerte künstlerische Höhe gebracht: dies wurde sogar vom Fachmagazin „tanz“ im Jahr 2019 mit einer Nominierung als Kompanie des Jahres belohnt.
So viel Erfolg kommt nicht von ungefähr: auch Antoine Jully legt bei der Arbeit an seinen Choreografien sehr viel Wert auf die Physis. „Wir sind sehr physisch, der Körper ist unsere Sprache und das Gewicht des Körpers ist eine „sensation“, ein Gefühl.“ Mit ihm kreativ und fantasievoll umzugehen, die Arbeit des Choreografen. „Wir sind auch Coach. Wir gehen jeden Tag weiter: vom Training über die Arbeit an der Choreografie, es ist eine ständige Weiterentwicklung. Und jeder Tänzer, jede Tänzerin ist ganz speziell, mich interessiert die „Mysteriösität“ jedes Einzelnen und dass alle technisch gut sind, ist natürlich sehr wichtig.“
C. Sorg: „Wenn Tänzer*innen von außen kommen, sehen wir, dass ihre Muskulatur nicht immer optimal vorbereitet ist.“ Und Jully fügt hinzu: „Früher galt die Oldenburger Compagnie als Sprungbrett für größere Bühnen, aber es hat sich alles weiterentwickelt, wir sind größer geworden und jetzt kommen die Tänzer*innen, um mit Antoine Jully zu arbeiten. Denn: hier wird noch getanzt! Das hören wir sehr oft.“
Kennengelernt haben sich Antoine Jully, der Franzose und Carolina Sorg, die Brasilianerin am Staatstheater in Mainz, wo sie beide als Tänzer engagiert waren. Später tanzten sie dann von 2009 bis 2014 beim Ballett am Rhein in Düsseldorf, ebenfalls unter der Leitung von Martin Schläpfer. Die traumwandlerische Sicherheit, mit der sie zusammenarbeiten, ist in vielen gemeinsamen Jahren gewachsen. Wobei sie ganz und gar nicht immer einer Meinung sind, Sorg: „Wir sind sehr kritisch miteinander, auch sehr anspruchsvoll…“ Und wer ist strenger mit dem anderen? Jully: „Ich glaube, Du mehr mit mir“ und sie lachen!
Antoine Jully geht sehr intuitiv an das Choreografieren neuer Werke heran, reagiert unmittelbar auf die Tagesform seiner Tänzer*innen und lässt sich sehr stark von der Inspiration durch die Musik leiten. Die Arbeit hat Research-Charakter: „Ich probiere zusammen mit meinen Künstlern, was möglich ist. Und ich erlaube mir selbst, spontan zu sein - wenn das Gefühl von innen kommt.“ Bei solcher Herangehensweise ist eine gute Rückmeldung ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur neuen Kreation. Spontanität, Kreativität und genaue Beobachtungsgabe sind der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg dieses Künstlerpaares. Die erfolgreichsten Projekte aus ihrer Sicht? „Vanitas“, „Jurassic Trip“, „Fünf Tangos“, „Le Sacre du Printemps“, „Die Kunst der Fuge“… man könnte noch viele weitere Produktionen aufzählen, die das Oldenburger Publikum begeistert haben.
Als nächstes beschäftigt sich Antoine Jully in „Weight“ auf ein Neues mit der Magie der Bewegung: „Mich fasziniert: wie kann ein so athletischer Körper wie der eines Tänzers so leicht sein?“ Das Publikum darf sich wieder auf ein interessantes Tanzexperiment von ihm freuen. Premiere am 20. Oktober in Rahmen von „From the Night to the Light“.
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