Einsame aller Länder vereinigt euch und tanzt!

„Waits – getanzte Songs“ von Lode Devos

Chemnitz, 23/02/2009

Zwei mal neun Songs von Tom Waits, mal aggressiver, mal zärtlicher, mal aufbegehrend und dann wieder besänftigend, immer aber rau und widerborstig, mal im typisch klopfenden Rhythmus einer Polka, dann breit ausladend oder auch gänzlich schmerzerfüllt im Aufstand gegen Unabänderlichkeiten, voller Gefühl, sentimental nie, geben die Musik für den neuen Chemnitzer Ballettabend, den das Publikum im ausverkauften Schauspielhaus zur Premiere begeistert feiert.

„Waits – getanzte Songs“, tanzen zehn Frauen und elf Männer bei nie nachlassender Energie von Beginn an so intensiv, dass der Funke sofort überspringt und noch längst nicht verloschen ist, wenn wir das Theater verlassen. Zu existenziell haben die Tänzerinnen und Tänzer in den Choreografien von Lode Devos miteinander gerungen wie im ersten Duett zweier hochexplosiver Männer, in einer Art Kampf mit ihrem Gegenüber, das gar nicht dem Bild entsprechen will, das sie sich von sich machen. Männer oder Frauen, allein oder miteinander, zärtlich in der Umarmung dann wieder abgestoßen, verwirrt im Gegeneinander. Ob in den perfekten Elementen der Show mit Widerhaken und unverhofften Untiefen, oder bei so raffinierten wie frappierenden Hebungen und Sprungkombinationen, ob ironisch oder romantisch, im freien Fall oder im übermütigen Aufstieg leicht gebogener Körper im Sprung, immer begegnen wir jenen Drauf- und Druntergängern, die im Moment der absoluten Inspiration alles auf eine Karte setzen, ihre Möglichkeiten ausloten, sich dabei im Spiel zu verlieren drohen, wie jener Mann, der vom Schminkspiegel weg mit roter Federboa in eine andere Existenz springt und schwingt.

Da ist die Frau in Rot, getrieben von innerer Unruhe, die Hände an den Körper gepresst, als wollte sie sich selbst besänftigen. Beispiele mögen für das Ganze stehen, dessen Details eigentlich alle der Erwähnung wert sind. Der zweite Teil unterm gestürzten Kreuz in der Ausstattung von Christiane Devos, die aus Elementen einer Bar, einer Theatergarderobe und Bühne besteht, aber auch an ein einfaches Motel erinnert oder an einen Schuhshop mit deutlichem Augenzwinkern für den Schuh- und Autofetischisten Waits, beginnt mit ekstatischen Varianten der Einsamkeit. Selten macht eine Ansammlung von Stühlen so viel Sinn wie hier, wenn so viele Menschen ihren Platz suchen und oft genug zwischen allen Stühlen landen. Das mag mitunter sehr hart sein, der Choreograf findet aber für jeden seiner Tänzerinnen und Tänzer immer wieder ganz lichte und unbeschwerte Momente, stellt damit jeweils die Individualität als Maß der Würde der Einzelnen ausgesprochen liebevoll ins Rampenlicht. Der Abend hat, ganz themengemäß, harte Brüche und scharfe Kanten und im Kontrast dazu viel fließende Eleganz. Weit weg fliegen die Arme, um immer wieder zurückgeführt zu werden, um sich wie ein Schutz um den eigenen Körper zu schmiegen.

Das Programmheft nennt alle 21 Namen im Block, persönliche Zuordnungen zu den ausnahmslos tollen solistischen Leistungen sind offenbar nicht gewollt bei diesem starken Abend mit den starken Frauen und Männern der Chemnitzer Kompanie, die immer bewusster ihren sehr eigenen Akzent in der Sächsischen Tanzlandschaft setzt und ähnlich wie im Musiktheater der Stadt längst über deren Grenzen hinaus wahrgenommen wird.

Link: www.theater-chemnitz.de

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