„Manœuvre“ von Juanjo Arqués, Tanz: Dávid Janik

Gefällig, unauffällig

Zweiteiliger Abend „Kontrapunkte“ am Theater Chemnitz

Hans von Manen mit einem Tango auf Spitze und Juanjo Arqués mit einer Truppe unterkomplexer Männer. Im Gedächtnis bleibt nur ein hübscher Vorhang.

Chemnitz, 10/03/2024

Als das Holländische Nationalballett 1977 Hans van Manens „5 Tangos“ zur Uraufführung brachte, beeindruckte möglicherweise in der damaligen Lesart die auffällige formale Ästhetik. Aus heutiger Sicht liest sich genau das als gesetzt und gediegen. Zumindest in der Interpretationsweise der Oper Chemnitz. Die Arbeit löst nicht unbedingt ein, was der Titel verspricht. Ausbrüche von Leidenschaft sucht man zumindest vergebens. Die Musik von Astor Piazzolla ist auf beeindruckende Weise kein bisschen gealtert. Die Choreografie allerdings desto mehr. Das Gefällige holt das Publikum nicht ab. Ein Tango auf Spitze? Schwierig bis merkwürdig. Die Intensität der Komposition Piazollas wird bewegungstechnisch nicht umgesetzt, womit die Choreografie der Musik im Prinzip nicht gerecht wird. Statt eines inneren Feuers zeigt das Chemnitzer Ensemble auch interpretatorisch eine Ritualisiertheit, die unauffällig bleibt. Die Kostüme in Rot und Schwarz wirken inzwischen leider klischeetiert und lassen eher die Assoziation zu Flamenco als zu Tango zu.

Was sind die „Kontrapunkte“?

Löst sich die Sache im Gesamtkontext ein, wenn man die zweite Arbeit des Abends, „Manœuvre“ von Juanjo Arqués daneben stellt? Zeigen sich dann die „Kontrapunkte“ des Abends? So leidlich. Anlässlich der Stückeinführung zur Premiere verwies Ballettdirektorin Sabrina Sadowska darauf, dass mit dem komplett männlichen Cast „jede Menge Testosteron“ auf der Bühne stünde und fügte, fast wie beruhigend, hinzu, das würde aber durch den Einsatz eines weichen Vorhangs, der an einer s-förmigen Schiene entlang bewegt wird, wettgemacht. Das Weibliche hielte damit Einzug, so ihre Worte. Leider erweckte das den Eindruck, dem Publikum würde kein eigener Zugang zugetraut. 

„Manœuvre“ selbst zeigt zwar einen deutlich lebhafteren Ansatz, bleibt in seiner möglichen Emotionalität allerdings auffällig unterkomplex. Die Männer sind hier Buddies, die mal miteinander geschlossen als Einheit auftreten, mal den einen oder anderen mobben, bis alle deutlich erkennbar miteinander verschiedene Ballspiele performen - schön pantomimisch. Dieser Einbruch konkreter Gestiken in eine sonst abstrakte Choreografie wirkt befremdlich. Der versprochene Vorhang gliedert „hübsch“ den Raum und erlaubt ein bisschen Variationen. Ohne diesen Zusatz hätte diese Arbeit deutlich weniger Effekt. Die Gesten sind groß und raumgreifend, aber von wenig Kreativität. Die Dynamiken wirken leicht unmotiviert, wodurch die Aussage in jeder Szene wenig überzeugen kann, selbst in konfliktreichen Momenten. Stille Augenblicke, Verletzbarkeit oder Zartheit, Schwäche oder Ähnliches muss man sich hinzudenken. Irgendwo tief versteckt könnten diese Aspekte des Menschlichen in jenen Männern schlummern. Getanzt wird aber nur Oberflächliches. Wenn dann auch noch mittendrin ohne nachvollziehbare Aussage die Personenkette reißt und die Bühne über mehrere Sekunden lang leer bleibt, ist das Publikum allein gelassen. Zur Premiere zeigte es sich trotzdem äußerst zufrieden. Das Attribut „herausragend“ gibt’s hier aber leider nicht.

 

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