Allein, zu zweit, zu dritt…

Sieben Choreografien von Tänzern für Tänzer in Görlitz

Görlitz, 18/01/2009

Mutig allemal, experimentierfreudig dazu, geht es im erneuten Selbstversuch des Görlitzer Tanztheaters von Gundula Peuthert & Company zu. Zum zweiten Mal heißt es „Tänzer für Tänzer“. Mitglieder der Company und ein Gast haben füreinander und miteinander konzipiert, choreografiert und letztlich beim Probieren Ziele erreicht oder auch ganz kreativ aus den Augen verloren. Alle Ergebnisse, bei ausgesprochen sehenswertem Werkstattcharakter, sind je auf ihre Weise ein Gewinn für Ausführende und Zusehende. Solcher Gewinn könnte wesentlich reicher sein bei stringenterer Dramaturgie, bezogen auf einzelne Choreografien und auch auf die Konzeption des gesamten Abends, dem ein Spannungsbogen fehlt, zudem die Mitglieder der Company in zu unterschiedlichen Gewichtungen präsentiert.

Den Anfang machen Jan Hodes und Sebastian Fiedor. Sie haben sich einen flotten Tango choreografiert. Eigentlich alles da. Zwei gegensätzliche, aber jeweils markante und elegante Tänzer, exakte Bewegungen, charmante Überraschungen und vor allem immer wieder verblüffende Hebefiguren. Was noch zu fehlen scheint ist so etwas wie ein Schwung an frechem Übermut, etwas Ironie oder besser noch der Humor in dieser Männertanzkonkurrenz, die am Ende eben doch nicht ganz erkennen lässt, wer hier wen auf den Arm, bzw. hoch nimmt. Für Simone Rabea Döring hat Martina Morasso ein „Hummer-Solo“ kreiert. Schmerzhaft schön bewegt sich die Tänzerin aus animalischen Krümmungen und bodennahen Fortbewegungsarten in momentane Höhen beim Probieren des aufrechten Ganges. Minimale Momente des Glücks in einer Spur der Vergänglichkeit. Von diesem Duo möchte man mehr sehen, ja mehr noch, diese aktuelle Arbeit hätte man vielleicht sogar ganz gerne gleich noch mal gesehen. Informationen zur stimmig gewählten Musik von Vincent Courtois fehlen, leider auch bei etlichen anderen Zuspielungen.

„Twilight“ hat Polina Ogryzkowa-Müller choreografiert. Mit Sebastian Fiedor tanzt sie Momente aus Vereinzelung und unbestimmter Gemeinsamkeit. In der Rückschau hat man kaum konkrete dafür aber emotionale Erinnerungen an diesen bewegten Versuch mit offenem Ausgang. Jenny Ecke nennt ihre neue Arbeit für zwei Tänzerinnen, einen Tänzer, eine alte Waschwanne, Tropfgeräusche und einen kalten Guss aus dem Bühnenhimmel „Esperar“. Ihr Programmhefttext dazu in braver Beckett-Art lässt uns ebenso ratlos zurück wie ihre tapferen Mitmacher beim Wartespiel, Wagner Moreira und Antoinette Helbing. Von letzterer ist auch die Choreografie „Boomerang“, zu der sie sich selbst in einen Glaswürfel sperrt, aus dem sie sich befreit um dann in erneute „Gefangenschaft“ zu geraten, bei der sie zunächst von ihren flankierenden Wächtern, Martina Morasso und Piotr Ozimkowski, erst mund- und dann „bewegungstot“ gemacht wird. Leider streift das Spiel Grenzbereiche, in die es führen könnte, noch nicht. Auch Simone Rabea Döring erreicht in ihrer Eigenchoreografie „NUR“ zu Musik aus einem Klavierkonzert von Philipp Glass mit Projektionen von Philipp Contag-Lada nicht die Intensität ihres ersten Solos, wenngleich sie mit fließenden Bewegungen den Klanglinien nachspürt, was von optischem Reiz ist. Am Schluss eine ältere Arbeit von Holger Bey. „Ich will Rot“, Songs von Rio Reiser, trotziger, rotziger Gesang, berührender Kampf um ein Leben vor dem Tod. Da wäre nun wirklich mehr choreografische Kraft vonnöten als beflissene Illustrationsversuche, die von Jenny Ecke und Harald Wink engagiert absolviert werden. Bleibt am Ende der Gewinn eines total ehrlichen Abends als Station einer Company auf dem Weg zu sich und zu uns. Umwege und Irrungen eingeschlossen, Ankunft ungewiss. Gut so.

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