15 Tänzer suchen ein Stück

„Theatrical Arsenal II“: die Forsythe Company bedient sich beim Fernsehen

Frankfurt, 21/11/2009

Angekündigt war ein neues Stück von William Forsythe. Doch auf dem Programmzettel von „Theatrical Arsenal II“, das an diesem Abend im Bornheimer Depot in Frankfurt uraufgeführt wird, ist der Name William Forsythe nur auf der Rückseite zu finden: als „künstlerischer Direktor“ der Forsythe Company, die das aus einer Installation aus dem Jahre 2007 abgeleitete Werk spielt. Offizieller Autor des Stücks ist die „Forsythe Company“: in dieser Produktion, vier Sprecher eingeschlossen, 15 Tänzer, die sich verzweifelt bemühen, etwas wie ein Stück zu finden, das letztlich doch wieder von Forsythe stammt und jener Serie von Werken zuzurechnen ist, die man als „Quasselstücke“ durchaus bezeichnen darf – Choreografien, die mit Sprache ebenso viel im Sinn haben wie mit Bewegung.

Die Bühne ist, vor einer mit ansteigenden Stuhlreihen bestückten Empore, diesmal ein offener Guckkasten, in dessen Hintergrund, halb verdeckt von einer Tischreihe mit Stühlen und Mikrofonen, eine mit einer exotischen Fantasieblüte bemalte Wand zu sehen ist. An den Tischen nehmen, mal einzeln, mal zusammen, die Sprecher David Kern, David Morrow und Freya Vass-Rhee Platz; wer sich an das Arrangement einer jener Casting-Shows erinnert fühlt, welche derzeit die große Mode im Fernsehen sind, liegt nicht ganz falsch. Überhaupt scheint die ganze Aufführung sich beim Fernsehen, wenn auch nicht assoziativ, sondern eher denunziatorisch, zu bedienen. Wie die meisten Fernsehspiele und -filme ist sie exakt anderthalb Stunden lang. Die Sprecher sagen die Akteure an, die sich vor ihnen und dem Publikum mit hektischen Tänzern, ausgiebigen Wortarien und billigen Schlagerliedchen produzieren, und auf einem Video (von Dietrich Krüger) über der Szene wird auch gekocht. Wenn sie genug gesehen oder gehört haben, verabschieden sie die – in ziemlich scheußliche Freizeitkostüme von Stephen Galloway verpackten – Darsteller, natürlich in englischer Sprache, mit einem Dankeschön; der Zuschauer ertappt sich gelegentlich bei dem Gedanken, dass er jetzt gerne eine Fernbedienung zur Hand hätte, mit der er sich aus einer allzu langen Darbietung – etwa jener, die um Jesus und den Antichrist kreist, aus dem später im Video eine „Auntichrist“ wird, die auf einer 190er Nummer angerufen werden will – wegzappen könnte. Der Anfang – und generell ein großer Teil des Stücks - gehört Dana Caspersen. Sie fläzt sich auf einen Stuhl neben der Tischreihe und sagt an, was der Zuschauer in den ersten drei, vier Sequenzen zu sehen bekommt: „This person – and myself“, „These people in this situation – and myself“ oder auch: „Myself – and you“; dann bleibt die Szene natürlich leer. Nur der alte David Kern, der wie ein Fremdkörper im Stück anmutet, benutzt mindestens kurzzeitig die deutsche Sprache, wenn er mit Emphase beginnt, Schillers Ode an die Freude zu rezitieren, nach wenigen Worten aber bereits über das Wort „Funken“ stolpert und von da an, vor allem mit dem englischen Wort „funky“, nur noch herumkalauert. Generell hört man viel pseudo-tiefsinnigen Unsinn, zuweilen auch mit selbstkritischen Untertönen, etwa wenn Dana Caspersen beteuert, sie lege es darauf an, das Publikum durch Langeweile einzuschläfern.

Natürlich wird auch getanzt. Meistens formieren sich Dreier- oder Fünfergruppen, auch Duos, die mit knickebeinigen, nur noch entfernt an klassische Ballettmotionen erinnernden Bewegungen über die Bühne kobolzen. Gelegentlich, aber eher selten blitzt etwas von jener Poesie auf, die in den älteren Stücken Forsythes ganz selbstverständlich zuhause war, am deutlichsten in einem schnellen, virtuosen Duett in der Mitte der Aufführung und einem zärtlichen Duo von Yoko Ando und Yasutake Shimaji gegen Ende, wenn die Blicke des Zuschauers immer wieder vom jämmerlichen Anblick einer ausgesprochen hässlichen kleinen Katze auf dem Video abgelenkt werden. Gänzlich unamüsant oder langweilig ist „Theatrical Arsenal II“ aber nicht; hin und wieder, etwa, wenn ein in ein Silberfell verpacktes Monstrum, durch die Geschichte theatralischer Gimmicks führt, fühlt man sich zum Lachen animiert. Aber irgendwie kommt man sich beim Betrachten dieser Szenen und des Stücks vor wie bei jener Anekdote, in der der große Regisseur Fritz Kortner, prustend lachend, einem Komiker erklärte, es sei schlicht miserabel, was er da vorführte: Ich lache – aber weit unter meinem Niveau. Vermutlich wäre es doch an der Zeit, dass sich der Choreograf William Forsythe auf alte Stärken zurückbesänne, anstatt sich an so mediokren Dingen wie schlechten Fernsehprogrammen zu reiben. Denn die Funken, die aus solcher Reibung entstehen, ergeben kein Feuer und erwärmen allenfalls die eingefleischtesten Forsythe-Fans.

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