Zerbrechliches Gefüge

Fulminanter „Tanz aus der Reihe“: Theater TKO mit „Paarsamkeit“

Köln, 30/10/2008

Zwei Paare in Abendgarderobe, eine festliche Tafel. Zögernd betreten die vier Personen den Bühnenraum, lauernd umkreisen sie sich. Schnell ist klar, dass hier keine fröhliche Abendgesellschaft zu erwarten ist. Herein stürmt Zeljka Preksavec, die in der nächsten Stunde nach Texten aus einem Handbuch für Gesellschaftstanz die Akteure leitet.
Nach Sigrid Behrens Theaterstück „Paarweisen“ bringt die Regisseurin und Choreografin Nada Kokotovic im Kunsthaus Rhenania mit „Paarsamkeit“ eine ungewöhnliche choreografische Studie zum Thema Beziehungen auf die Bühne – als Metapher dafür stehen tänzerische Positionen wie Balance, Beinarbeit, Armhaltung oder Schwungachse.

Die Texte wirken wie choreografische Regieanweisungen, um aus zwei in sich balancierenden Individuen etwas stabiles Drittes, ein Paar, werden zu lassen. Die absurd-verschrobene Sprache des Handbuches, von Zeljka Preksavec markant in Szene gesetzt, entfaltet eine geradezu dadaistische Komik: Bestmögliche Ausgangsposition sichern. Kontaktfläche Haut zur Impulsübertragung erweitern. Kokotovic´ Inszenierung ist ein mutiges Kreativexperiment - und es funktioniert. Das liegt vor allem an der hervorragenden tänzerischen Besetzung mit Michal Hirsch, Tuong Phuong, André Jolles und der Choreografin selbst. Insbesondere Michal Hirsch und Tuong Phuong, die beide aus einem reichen zeitgenössischen Bewegungsvokabular schöpfen, glänzen mit unglaublich schönen solistischen Parts und tänzerischer Präsenz.

Bei Michal Hirsch gerät noch die kleinste Bewegung zum Ausdruck dieser metaphorischen Übertragung: die langsame Armhebung, das Ausstreichen über Kopf und Haar, die geballten Fäuste auf dem Boden. Michal Hirsch tanzt mit und gegen den Boden, mit und gegen die Wand, als wolle sie unsichtbare Grenzen überwinden. Im Pas de deux – also Schritt für zwei – mit Tuong Phuong steigert sich die tänzerisch-tastende Annäherung zur einfühlenden Paarsamkeit und macht zugleich deutlich, wie labil das System Paarsamkeit ist: schon das Ausscheren eines einzelnen Beines kann das ganze System ins Wanken bringen. Ein großartiges, anspruchsvolles Tanzstück.

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