Getanztes Casting mit Sozialkritik aus Johannesburg

Robyn Orlins „Dressed to kill...killed to dress...“ bei ImPulsTanz im Wiener Akademietheater

Wien, 14/07/2008

Mit Arbeit fängt der Alltag an. Die Grenzen zur Freizeit verwischen in Robyn Orlins „Dressed to kill...killed to dress...“ bei ImPulsTanz im Wiener Akademietheater. Schon ist im Hintergrundvideo ein Schuhputzer zu sehen, der Schuhen Glanz zum großen Auftritt verleiht.

Die südafrikanische Choreographin Robyn Orlin steht für aktuelles Tanztheater, das vor politisch heiklen Themen in ihrem Heimatland nicht Halt macht. Zusammen mit Darstellern der Johannesburger City Theatre & Dance Group gibt sie Einblicke in einen hierzulande wenig bekannten Aspekt des Lebens in Südafrika. Jedes Wochenende schwirren dort „Swankas“ aus (engl. to swank: protzen), Arbeiter, die ihrer tristen Umgebung entfliehen. Auch vier von Orlins Darstellern sind privat als „Swankas“ unterwegs. Sie zeigen sich in glamourösen, extravaganten Anzügen auf Modeschauen. Am Ende krönt das Publikum einen Sieger: Jenen, der das originellste Outfit trägt und den dazu passenden Auftritt zeigt.

Orlin zeigt nicht nur, dass Kleider Leute machen und eigene Modetrends kreieren. Sie schildert auch den glücklosen Versuch von Weißen, Schwarze als „Swankas“ zu kopieren. Simon Khoza schlüpft in die Rolle des Conferenciers, der durch den Abend führt. Die „Namen der Swankas“ werden nicht preisgegeben, jeder Mensch wird zu einer Nummer und kann mit einer Performance seine Individualität anonym ausleben. Dazu wählt er Begleitmusik aus der Konserve oder singt selbst. Besonders beeindrucken die südafrikanischen Lieder von Ann Masina. Die Anonymität jedoch verbindet die Flucht vor der Realität mit der Scheinwelt. Orlins Bildersprache grenzt ans Absurde. Videos und Projektionen verfremden die Merkmale der „Swankas“: Im Hintergrund-Video wirft sich eine Frau in Ballett-Tutu in bekannte Ballettposen und trägt dazu Turnschuhe.

Sozialkritik kommt nicht zu kurz: Ein „Swanka“ wirbt für bekannte Modeschöpfer und rät vom Einkauf beim Diskonter ab, der kürzlich wegen Kinderarbeit in Fernost ins schiefe Licht geriet. Diese Art Casting-Show kippt am Ende, wenn sie zu zunehmender Aggression bis zu Morden führt. Oder führt etwa Robyn Orlin das Publikum noch weiter in eine Scheinwelt?

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

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