Mitreißend, berührend und ganz speziell

Münchens 11. Tanz-Biennale Dance 2008 ist eröffnet

München, 27/10/2008

Es war eine Festivaleröffnung, wie sie sein soll: mitreißend, berührend und ganz speziell in der jeweiligen choreografischen Machart und tänzerischen Qualität. Genau das erhofft man sich ja von Münchens 11. Dance-Biennale (bis 8. November): überrascht zu werden, etwas zu sehen, was einem noch mal neu die Sinne öffnet: „Don Q.“ von Stuttgarts Hauschoreographen Christian Spuck ist ein wunderbar heiter-zartbitteres Stück über den Don Quijote in uns allen. Und selten hat man es wie jetzt bei der Londoner Compagnie Hofesh Shechter erlebt, dass eine durchgehend anonym bewegte Masse von Tänzern eine solche Wirkkraft, ja eine Gruppen-Persönlichkeit entfaltet. Die ausverkaufte Muffathalle bebte im Applaus.

Virtuos getüfteltes Bewegungsvokabular, brillante Tanztechnik, das kann man dem heutigen sattgefütterten Tanz-Zuschauer nachschmeißen. Kennt er alles schon. Er will sehen, wie und wovon die Form angetrieben wird. Das Feuer spüren, das unter der bewegten Geste lodert - wie in Shechters „Uprising“ und „In your Rooms“. Es sind im Grunde „nur“ Bewegungssequenzen für ein Dutzend Tänzer: aber in der geradezu filmisch fließgleitenden oder hart ruckenden Rhythmisierung der Bewegung, in ihrer minimalistischen Wiederholung, in ihrer absoluten Synchron-Präzision erkennen wir Lebens- und Arbeitsgemeinschaften - ihre Fron, ihre Anpassung, ihre Ängste, ihren Auf- und Widerstand. Kibbutz oder (Langs) „Metropolis“ - die Masse Mensch, scheint der Israeli Shechter zu sagen, ist nicht ohne Gefühl.

In der Schauburg zuvor hatten sich sogar die kleinsten Zuschauer „die Hände wundgeklatscht“. Christian Spuck, einer der wenigen jungen Neoklassiker, die sich an Erzählballette wagen, hat 2007 Cervantes' „Don Quijote“ mit wunderbar beflügelter Phantasie in ein Revue-Duett für Stuttgarts Altstar Egon Madsen und den Stuttgarter Superbeweger Eric Gauthier verwandelt. Und wie Egon & Eric im zugerümpelten Theaterfundus das Kind im Manne rauslassen, mit Spielzeug-Windmühlen fechten, sich die unerfüllte Sehnsucht nach Dulcinea rockend aus dem Herzen tanzen, ist mit das schönste Tanztheater, das wir letzthin gesehen haben: komisch, tragisch und zugleich tröstlich. Denn hier spiegelt sich ja Egon in Eric. Und umgekehrt. Und Alter mit seiner Erfahrung und Jugend mit ihrer Spannkraft fließen in eins.

Kommentare

Noch keine Beiträge