Mozarts Requiem als Ballett

Trauer – Hoffen - Sehnen

Bielefeld, 08/10/2007

Gesten von Trauer, Hoffen und Sehnen, aber auch von Zärtlichkeit, Wut und Verzweiflung hat Roberto Galván in seine Choreographie auf die Musik von Mozarts Requiem gelegt. Die Tragödie der Liebenden Orpheus und Eurydike klingt schon im Introitus der musikalischen Messe an: vor einem trapezförmigen Betonkörper – der, wären da nicht die beiden Leitern auf der Vorder- und Rückseite, wie eine Klagemauer wirkt – hockt tieftraurig ein Mann. Mädchen und Männer in Trauerkleidung nähern sich aus dem Halbdunkel mit den archaischen Gesten eines Beisetzungsritus.

In der Folge tanzt das zehnköpfige Ensemble Lebensszenen im Angesicht des Todes. Die Schweizer Psychologin Elisabeth Kübler-Ross („Reif werden zum Tode“) scheint ganz nah mit ihrer Analyse der fünf Stadien des Sterbens. Zsuzaanna Molnár, Ausstatterin des Balletts, das der Brasilianer schon 1993 kreierte, setzt vor allem mit den Kostümen Signale für Leben (Glitzerkleidchen, Jeans und T-Shirts), Trauern (schlicht schwarz) und Totsein (nackte Körper verhüllt mit fleischfarbenen Trikots). Der Rückprospekt fängt mit einer Collage aus Grabstelen, hebräischen Schriftzeichen, Schwurhand und anderen Symbolen vor allem den jüdischen Totenkult ein.

Die fast gänzlich neue, verjüngte Truppe von Bielefelds Tanztheaterchef Gregor Zöllig zelebriert Galváns Todesmeditation souverän in Technik und Ausdruck. Einen anrührend persönlichen Touch verleihen die Widmungen des Choreographen und jedes einzelnen Ensemblemitglieds dem eindrucksvollen Tanzabend: Tänzer wissen schon in jungen Jahren, weil viele an AIDS sterben, mehr über Sterben und Trauer als die meisten Menschen. Die Bielefelder Philharmoniker, Musiktheater-Solisten und der Opernchor unter der Leitung des 1. Kapellmeisters Leo Siberski ordneten sich in der ungewohnten „Beyer-Fassung“ von Mozarts unvollendeter letzter Komposition ganz den Tempi der Tänzer unter. Das Premieren-Publikum applaudierte stehend, ungewöhnlich still, eine Viertelstunde.
 

Nächste Vorstellungen im Theater Bielefeld: 9., 19., 21. Oktober.
Karten: 0521-515454.

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