Jubiläumswirbel

Das Royal Ballet tanzt „Schwanensee“ - zum 900. Mal im Royal Opera House

London, 21/02/2007

Zum 900. Mal begegneten sich diesen Samstag Schwanenkönigin und Prinz auf der Bühne des Royal Opera House. Zu diesem festlichen Anlass gab eine außergewöhnliche Besetzung vor einem bis zum letzten Platz ausverkauften Haus eine Vorstellung, die das sonst eher zurückhaltende Londoner Publikum zu Beifallsstürmen hinriss. Grund für diesen Erfolg war vor allem Tamara Rojos glamouröser Auftritt als Schwanenkönigin, der es sogar gelang, Carlos Acostas eher feurigem und souveränen als melancholisch-verträumten Prinzen die Schau zu stehlen. Rojos weißer Schwan ist - ähnlich ihrer „Sylphide“ letzten Monat - keine zur Märchenhaftigkeit entrückte Feengestalt, die kaum dieselbe Luft zu atmen scheint wie Siegfried, sondern ein lebendiges, reales Wesen, das den Prinzen durch ihr Leiden rührt und beinahe um seine Liebe und Treue bittet. Im dritten Akt, der Rojos spanischem Temperament am stärksten zu entsprechen scheint, verwandelt sie sich in eine funkensprühende Verführerin. Ihr schillernder Auftritt als schwarzer Schwan endet in einem atemberaubenden Pirouettenwirbel: so verwirrte Odile wohl nicht nur Siegfrieds Sinne, als sie jedes dritte ihrer scheinbar mühelos aneinandergereihten 32 Fouettés dreifach drehte.

Carlos Acosta als Prinz stand ihr mit der für ihn üblichen Souveränität zur Seite, wenn er auch etwas weniger bei der Sache wirkte als sonst - erst im Pas de Deux des dritten Aktes taute er auf und begeisterte die Zuschauer mit einer Kostprobe seiner spektakulären Technik. Doch bietet ihm die Choreografie - anders als beispielsweise Nurejews Version für die Pariser Oper - insgesamt wenig Gelegenheit, sich tänzerisch in Szene zu setzen.

Anthony Dowells 1987 entstandene Inszenierung des Klassikers erweist sich des Jubiläums durchaus als würdig, wenn auch die Entscheidung, die Tutus der Schwäne durch lange, eher fetzen- als federnähnliche Tüllröcke zu ersetzen, den optischen Eindruck der berühmten Ensembleszenen nicht unbedingt positiv verändert. Gelungen ist hingegen der Einfall, in den dritten Akt einen von Sir Frederick Ashton choreografierten neapolitanischen Tanz einzufügen, der von Laura Morera und Ricardo Cervera mit leichtfüßigem Charme interpretiert wurde. Zudem enthält die Inszenierung einige interessante Details wie z.B. den Flirt des Prinzen mit einem der Mädchen des Pas de trois im ersten Akt - virtuos getanzt von Alexandra Ansanelli, Lauren Cuthbertson und Steven McRae - oder die naturalistisch-vogelartige Gestik des bösen Zauberers Rothbarth. Die geballte Bühnenpräsenz Gary Avis‘ in der Rolle des Magiers sowie des Liebespaares Rojo-Acosta ergab im vierten Akt einen beinahe physischen Kampf zwischen machtvoller Liebe und Zauberei, der nichts von märchenhafter Entrücktheit hatte.

So endete das Aufeinanderprallen entgegengesetzter Energien mit der eruptionsartigen Vernichtung aller drei Protagonisten - Schwan und Prinz begehen Selbstmord und bewirken damit den Tod des Zauberers und die Befreiung der anderen verzauberten Schwäne. Ganz zum Schluss triumphiert dann schließlich doch noch die irreale Märchenwelt, wenn das im Tod vereinte Liebespaar in einem magischen Schiff über den See von dannen gleitet.


Besuchte Vorstellung: 17. Februar
Link: 
www.royalballet.org

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern