Cranko, Cranko all the time

Die Stuttgarter Ballettspielzeit 2007/08

oe
Stuttgart, 12/06/2007

Also wenn das so weitergeht, werden sie 2027 Stuttgart noch in Cranko-Town umbenennen (sehr zum Entsetzen der Daimler- und Porsche-Fundamentalisten). Nachdem wir in Sachen Klimaschutz ja schon bis 2050 vorausdenken, nimmt sich die Vorschau auf Crankos hundertsten Geburtstag mit ihren zwanzig Jahren geradezu schwäbisch-bescheiden aus. Immerhin stehen die Vorbereitungen der Stuttgarter Ballettdirektion für die Spielzeit 2007/08 ganz im Zeichen seines am 15. August (ausgerechnet mitten während der Ferien) fälligen achtzigsten Geburtstags. Also eine Art Generalprobe für 2027?

Los geht´s gleich nach der Sommerpause am 19. September mit seinem aus dem Jahr 1963 stammenden „Schwanensee“, dessen elf Vorstellungen sich bis zum 21. Oktober hinziehen. Schon vorher, nämlich am 6. September, leistet sich das Stuttgarter Ballett eine erste Outreach-Produktion. Sie läuft unter dem Titel „Kooperationen“ und verheißt als Uraufführung „Don Q.“ von Christian Spuck und findet im Theaterhausstatt statt – eine Kreation für Eric Gauthier und Egon Madsen in Form einer „nicht immer getanzten Revue über den Verlust der Wirklichkeit“. Ob damit die Einschätzung des Crankoschen Oeuvres durch seine Nachlassverwalter gemeint ist, wird sich erweisen.

Richtig los geht´s dann mit der John Cranko-Ballettwoche vom 25. Oktober bis zum 1. November, in deren Verlauf nicht nur Repertoirevorstellungen von „Der Widerspenstigen Zähmung“. „Onegin“ (eine Gala zum 40. Jahrestag der Uraufführung am 27. Oktober 1967) und „Romeo und Julia“ angekündigt sind, sondern auch als Premiere „Cranko Moves 1“ mit den Wiederaufnahmen von „Brouillards“, „Présence“ (darauf bin ich besonders gespannt, denn einer der drei Protagonisten ist ja Don Q – ob Spuck wohl darauf Bezug nimmt?) und „Jeu de cartes“. Am 29. Oktober hält Reid Anderson seinen Festvortrag „Thank You, John“. Dann folgt gleich am 2. November eine Uraufführung von Bridget Breiner, wiederum als „Kooperation“ mit dem Kunstmuseum Stuttgart im Rahmen der Ausstellung „Im Rampenlicht, Baumeister als Bühnenbildner“.

Und wo Spuck und Breiner vorgeprescht sind, darf Marco Goecke natürlich nicht fehlen, der für den 4. November als „Kooperation“, diesmal mit der Staatsgalerie, als Uraufführung sein neues Stück „Herzrasen“ ankündigt – etwa als Fortsetzung seines „Rückenflatterns“? Und bereits am letzten Tag des Novembers folgt die Premiere von „Cranko Moves 2“ mit einer Neufassung seiner „Carmen“ (von Anderson und Georgette Tsinguirides – nein, wohl nicht als Don José und Carmen). Und damit wir nicht etwa vergessen, dass 2007 das Cranko-Jahr ist, gibt es am Abend drauf eine „John Cranko-Ballettgala“ mit Solisten des Stuttgarter Balletts und Gästen. Da es dann ja rapide auf Weihnachten zugeht, folgen noch sechs Vorstellungen von „Goecke im Kammer“ alias „Der Nussknacker“.

Der Januar bietet dann eine Reihe von Repertoirevorstellungen der beiden „Cranko Moves“-Programme, bevor es am 1. Februar mit einer Wiederaufnahme von Spucks „Lulu. Eine Monstertragödie“ weitergeht. Auch an die „Spanner“ unter den Stuttgarter Ballettfans ist gedacht, die vom 1. März an wieder ihren „Blick hinter die Kulissen“ werfen dürfen. Und damit wir nicht vollends zu Vergangenheitskultisten werden, gibt es am 14. März gleich drei Uraufführungen von Goecke, Douglas Lee und dem Newcomer Edward Clug. Dann folgt am 24. April als Import aus Hamburg John Neumeiers abendfüllender „Othello“ – vom Gewicht her sicher die Heavy-Weigth-Produktion der Spielzeit. Nicht genug damit, folgen dann noch Anfang Mai drei Uraufführungen von Sabrina Matthews, einer kanadischen Newcomerin, von Cayetano Soto, einem Spanier des Jahrgangs 1975, und von dem in Stuttgart ja nicht ganz unbekannten Eric Gauthier. Mit zwölf Vorstellungen von Marcia Haydées „Dornröschen“ schließt die Spielzeit, als deren Finale es auch wieder die „Jungen Choreographen“ der dann fünfzigjährigen Noverre-Gesellschaft und die Präsentation der John Cranko-Schule gibt.

Also volle Pulle für 2007/08, für die noch eine Fülle von zusätzlichen externen Cranko-Aktivitäten geplant ist. Wäre ich Stuttgarter Ballettchef (wovor mich – und das Publikum – ein gütiges Schicksal bewahrt hat!), hätte ich Spuck oder Goecke ermutigt, sich als ihr ganz persönliches Geburtstagsgeschenk des „Prinzen der Pagoden“ anzunehmen – sicher die beste der von Cranko uraufgeführten Ballettpartituren (wenn auch nicht gerade das Beste seiner Libretti). Und gewünscht hätte ich mir, dass es endlich eine Cranko-Trilogie mit „Romeo“, „Onegin“ und „Widerspenstige“ auf DVD gäbe!

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