Holter di polter zurück ins Jahr 1854

Bournonvilles „Eine Volkssage“

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Kopenhagen, 10/06/2005

Also angeschnallt zur letzten Station auf unserer Bournonville-Exkursion (denn zum Abschluss gilt‘s morgen der Rückkehr an den Kongens Nytorv, zur finalen Gala). Angeschnallt, denn die Reise geht nach Jütland, zurück ins Jahr 1854. Und die ist eigentlich nur etwas für in der Wolle gefärbte Bournonvillisten – quasi eine Frage der nationalen Ehre, hat doch die Königin selbst (die wirkliche Margarethe II.) die Ausstattung für die jüngste, von Anne Marie Vessel Schlüter und Frank Andersen besorgte Neuproduktion besorgt. Und da die beiden Nationalhelden Niels W. Gade und P. E. Hartmann die Musik komponiert haben, stand an diesem Abend der Chef des Königlichen Orchesters, Michael Schønwandt höchstpersönlich, am Pult der Musiker. Für die anderen freilich, die ihren Bournonville sicher nicht weniger lieben und die vergangenen Abende wie eine Crash-Kur in Sachen Lebensfreude genossen haben, ist diese „Volkssage“ ein harter Brocken – obgleich Bournonville sie für seine gelungenste Komposition hielt.

Sie spielt kurz vor der Sommersonnenwende, in der die Skandinavier bekanntlich gern über die Stränge schlagen, und das tut auch Bournonville in diesem Dreiakter, der das von ihm so geliebte einfache Leben auf dem Lande mit der dämonischen Unterwelt der Trolle, Gnomen, Zwerge und Hexen konfrontiert. Natürlich siegt letzten Endes das Gute und die christliche Religion, kriegt Junker Ove die einst von den Trollen geraubte „Hilda in voller jungfäulicher Intaktheit, doch nicht ohne gegen den erbitterten Widerstand der Trolle und ihrer Domina, Muri geheißen, die Hilda gern mit einem ihrer nichtsnutzigen Söhne, Viderik oder Diderik, verkuppelt hätte.“ Und für diese Trolle hat Bournonville seinem pantomimischen Affen Zucker gegeben und ein Gefolge von Knatterchargen geschaffen, wie für einen Comic vor anderthalb Jahrhunderten. Und so wird denn gemimt und grimassiert und geholzt und krachledern gebolzt, was das Zeug hält. Das ist also quasi der Gegenentwurf zu Richard Wagners Nibelheim – aber eben auf die dänische, die pantomimische Art. Nichts für kontinentale Ästheten des 21. Jahrhundert, die die Welt der Trolle unweigerlich mit Peter Stein oder Peter Zadek assoziieren.

Na ja, getanzt wird auch, aber doch in sehr sparsamer Dosierung und Junker Ove (der sehr elegante Kenneth Greve) und Hilda (Gudrun Bojesen: ebenso entzückend anzusehen wie lupen- und linienrein ihre Kantilenen in den Raum spannend) haben nicht mal einen Pas de deux. Selbst den elf Elfen und drei Oberelfen ist nur ein kurzer, nebelumwallter Reigen zugestanden. So bietet eigentlich nur ein fulminanter Pas de sept den Tänzern Gelegenheit, mit ihren Ballonaden zu zeigen, wessen die klassische dänische Schule fähig ist – kein Wunder, dass sie sich mit geradezu unbändiger Lust in ihre fein ziselierten Enchaînements stürzen.

Der Rest ist grotesker Höllenspuk, gipfelnd in einer Art Cancan infernal, angeführt von Eva Kloborg als Troll-Domina, Peter Bo Bendixen (der sprüht als Diderik Dämonie aus seinen funkelnden Augen) und Lis Jeppensen als androgyner Viderik. Sonst noch erwähnenswert: Tina Højlund als total durchgeknalltes Fräulein Birthe. Nein, mir hat das gar keinen Spaß gemacht, und so habe ich es nicht über mich gebracht, am anschließenden Empfang von H. M. Dronning Margarethe II. teilzunehmen. Mein Respekt und meine Bewunderung gelten ihr trotzdem, wie sie Abend für Abend, die ganze Woche, mit ihrer Schwester zusammen in der Königsloge die Huldigung ihrer Untertanen und der Gäste aus der ganzen Welt entgegennimmt.

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