Das Beste für die Kleinen

Das Bayerische Staatsballett mit „La Bayadère“ für die 6- bis 12-Jährigen

München, 20/12/2005

Einer spontanen Idee von Dramaturgin Bettina Wagner-Bergelt folgend ging der Auftrag für eine poetische Einführung und begleitende Hinweise an die Autorin Birgitta Arens. Dann nahm sich das Staatsballett drei Tage Zeit, um neben seinem üblichen Pensum in Zusammenarbeit mit Andreas Sippel, Schauspiellehrer an der Münchner Theaterakademie, eine auf 90 Minuten verkürzte Version von „La Bayadère“ vorzubereiten. Mit ihm als Märchenerzähler in Pluderhosen und großem Turban, sitzend neben einer silbernen Wasserpfeife am rechten Bühnenrand, ging die indische Legende im Carl-Orff-Saal am späten Montagnachmittag bei den erwartungsfrohen Kleinen ins Rennen, die bald durch laute Zustimmung kundtaten, wie sie von den handlungstragenden Figuren gefangen waren, die der Märchenerzähler vorstellte und mit seinem Zauberstab zum Leben weckte.

Es waren aber auch edelste Bilder, die da in Bewegung kamen: Lucia Lacarra als Tempeltänzerin Nikiya, die sich der Liebe des Großen Brahmanen (Peter Jolesch) erwehren muss, wo sie doch den Krieger Solor (Cyril Pierre) liebt, den Gamzatti (Natalia Kalinitchenko) heiraten will, weil das ihr Vater, der mächtige Radscha (Vincent Loermans), für sie arrangiert hat – sie alle, auch Gamzattis Amme (Irene Steinbeißer) als atmosphärische Bereicherung, in den mit Recht berühmten, exquisiten Originalkostümen des japanischen Designers Tomio Mohri! Uns Erwachsenen wurde schnell klar, dass eine gute Balance gefunden war, in der die vorbereitenden Erklärungen dem klassischen Tanz von Marius Petipa, einst ja Hofchoreograf des Zaren, den größten Teil des Feldes überließen.

So konnten die Kinder die frühe Erfahrung machen, dass sie auch die nonverbalen Äußerungen der Tänzer und Tänzerinnen mühelos verstanden. Deren Part war nicht nur auf die großen Pantomimen beschränkt, sondern sie zeigten eine sinnvolle Auswahl von jeder Szene: Man sah Solors Auftrittsvariation und seine Krieger, dann seinen vom Großen Brahmanen belauerten Pas de deux mit Nikiya, die Variation Gamzattis sowie den handgreiflichen Kampf der zwei Rivalinnen, den Trommeltanz aus dem Verlobungsfest mit einem Ausschnitt des Grand Pas sowie natürlich Nikiyas Klagetanz und ihre Freude über die Blumen, die ihr den Tod durch einen Schlangenbiss bescheren! Man sah sogar das Schattenreich, für die Kinder ein Blick ins Paradies, wohin Solor mit seiner Liebe, die stärker als der Tod ist, vordringt, und sein Zusammenfinden mit der überirdischen Geliebten. Doch – wie sagte der Erzähler sinngemäß: Die Ewigkeit kann warten. Leben wollen wir doch alle, Kinder, und wenn man so eine Radschatochter haben kann...

Wenn nur nicht immer Nikiya von allen anderen unbemerkt durch Solors Blickfeld tanzen würde! Der Verzweiflung nah bemüht Gamzatti sich rührend um ihren Bräutigam, und wie da eine Frau den Mann an eine andere verliert, das hat ein Petipa in rein klassischer Linie tausendmal fesselnder erzählt als ein anderer Choreograf an diesem Haus fast 130 Jahre später. Aber bevor im Paradies alle Gegensätze aufgehoben werden, werden alle, die an der vom Himmel nicht begünstigten Hochzeit beteiligt waren, von einem Erdbeben vertilgt.

Es war eine Erfahrung der Liebe für die Kinder, und sicher lieben sie auch die Erinnerung an die wunderbaren Tänzer des Staatsballetts, die ihr Bestes gaben – an ihrer Spitze die Star-Ballerina Lucia Lacarra, die ausdruckstarke Natalia Kalinitchenko und der attraktive Cyril Pierre. Da bekamen auch die Mütter leuchtende Augen, denn so eine Märchenstunde von höchster künstlerischer Qualität und von Maria Babanina am Flügel mit dem Zauber dramatischer Musikalität versehen, hatten sie ihren Kindern wohl noch nie gezeigt. Dieser Schnellschuss, vom Staatsballett abgegeben als nur einmal angesetzter Test, erwies sich als Volltreffer. In der Reihe „Erlebnis Ballett“ für Kinder und Jugendliche soll in ähnlicher Form bald Petipas „Raymonda“ folgen. Man möchte schon jetzt diesen Veranstaltungen große Aufführungsserien wünschen.

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