Die Stiftung „Freunde des Mariinsky-Theaters“ und ihre Geschichte

Mariinsky-Festival 2003

München, 26/07/2003

Zum Mariinsky-Theater kam Bettina von Siemens durch ihre Tochter Christina. Die studierte u. a. in Princeton Politik und Russisch und arbeitete bis Januar 2003 bei der UNO in Moskau. Zu ihrem Studium gehörte auch ein Sommersemester in St. Petersburg. Kaum dass Christina, die sieben Jahre lang Ballettunterricht hatte, ständig im Bayerischen Staatsballett war und als kleines Mädchen heftig für Kiki Lammersen schwärmte, das Ballett des Mariinsky-Theaters gesehen hatte, rief sie zu Hause an: „Mami, diese Kompanie ist traumhaft!“ – das Urteil einer, die inzwischen aus Amerika das New York City Ballet und das ABT kannte. 

Im gleichen Jahr lernte Bettina von Siemens auch Maestro Gergiev kennen, der in Salzburg für den verstorbenen Sir Georg Solti als Dirigent des „Parsifal“ einsprang. Das war vor fünf Jahren, als das Mariinsky-Theater Balanchines „Jewels“ erwerben wollte. Im Zuge der Finanzierung dachte auch Francis Francis, der europäische Verwalter des Balanchine-Trusts an seine Russland-begeisterte Freundin Bettina mit ihrer Ballett-begeisterten Tochter und bat sie, aktiv zu werden. Die Mutter ihrerseits fragte in St. Petersburg an, und die kundige Christina antwortete: „Mami, mach, das lohnt sich!“ So wurde die Firma Siemens 1999 der Hauptsponsor von „Jewels“. Bettina von Siemens reiste zur Premiere nach St. Petersburg und merkte, wie dankbar man dort war, dass für das Ballett etwas getan wurde. „Denn für die St. Petersburger ist Ballett immer noch die Priorität Nr. 1.“ 

Ihr zweites Projekt war die Rettung eines Gastspiels von „Jewels“ in Berlin, für die sie die Deutsche Bank ins Boot holte. „Als ich nach drei Tagen den nötigen Betrag zusammen hatte, war es ein Gefühl wie nach dem Abitur. Ich war stolz und alle haben sich so gefreut, dass ich dachte: Jetzt will ich regelmäßig etwas machen.“ Da es seit 1993 in England „Die Freunde des Mariinsky-Theaters“ gibt, fragte sie Gergiev, ob man so etwas nicht auch im deutschsprachigen Raum haben wolle. „Sehr gerne, nur, wer soll das machen?“ Im Juni 2000 hat sich Bettina von Siemens dazu entschieden. „Das Ganze zu organisieren“ hat ihr viel Spaß gemacht. Sie hat Placido Domingo auch für Deutschland, Österreich und die Schweiz die Präsidentschaft der „Stiftung der Freunde des Mariinsky-Theaters“ angetragen und für das Ehrenpräsidium u. a. Sofia Gubaidulina, Christoph Eschenbach, John Neumeier und Richard von Weizsäcker gewonnen. 

Als am 16. Oktober 2000 in der Philharmonie am Münchner Gasteig das große Konzert „Gergiev und sein Orchester“ stattfand, hat sie dem Veranstalter 100 Karten „abgeluchst und mit unserer Stiftungs-Broschüre ganz gezielt Leute zu einem Empfang im Hilton eingeladen – und es sind fast alle auch Förderer geworden. So etwas kann man natürlich nur nach einem Konzert erreichen. Die Leute sind dann total high, weil es ein tolles Konzert war.“ Maestro Gergiev hat das Mariinsky-Theater auch als Konzert- und Opernhaus an die Spitze gebracht und will es dort halten. „Das entspricht auch dem Interesse unserer Mitglieder. Also finanzieren wir z. B. die Anschaffung oder Reparatur von Instrumenten. Oder Stipendien für Studenten der zum Theater gehörenden „Academy of Young Singers“. Opernproduktionen sind aber zu teuer, die überlassen wir kräftigeren Sponsoren. Man muss bei so einer Stiftung das Geld ja relativ schnell ausgeben und kann es nicht für eine größere Sache ansparen. Aber wir hatten schon im ersten Jahr so viel Geld zusammen, dass wir dem Ballett des Mariinsky-Theaters mit John Neumeiers ,Sounds of Empty Pages' eine Welturaufführung ermöglichen konnten.“ Neumeier bekam dafür die Goldene Maske für die beste Choreografie des Jahres 2001. Diese höchste Auszeichnung für Bühnenschaffen in Russland erhielten auch die Tänzerin Natalia Sologub und Michail Schemjakin für die Ausstattung der neuen „Nussknacker“-Produktion. Der Chef des Hauses erhielt sie für Wagners „Walküre“ als bester Dirigent. Eine weitere ging an Dmitrij Tscherniakow für seine Inszenierung von Rimsky-Korsakows „Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch“, die auch beste Opernproduktion des Jahres wurde.

Besonders froh ist Bettina von Siemens, dass ihr auch in den Folgejahren fast alle Stiftungs-Mitglieder erhalten blieben. „Ein zusätzlicher Reiz ist natürlich, dass ich zweimal im Jahr eine Reise nach St. Petersburg mit einem sehr interessanten Programm organisiere. Da passiert dann auch immer etwas, wo die Ballettleute oder Opernleute des Mariinsky dabei sind.“ Auf meine Bemerkung, dass einem die Haare zu Berge stehen müssten, wenn man sich die völlig veraltete Bühnen-Maschinerie dieses Theaters anschaue, sagt sie: „Mir mittlerweile überhaupt nicht mehr, weil ich dort jedesmal mit meinen 'Freunden' hingehe, damit sie sehen, wofür ihr gutes Geld gebraucht wird.“ Dass dies jetzt leichter fließen kann, ist auf eine Änderung des Stiftungsrechts zurückzuführen, nach der Spenden absetzbar geworden sind, auch wenn sie ins Ausland gehen.

Inzwischen wird Bettina von Siemens zu vielen bilateralen Begegnungen eingeladen, beispielsweise zum St. Petersburger Dialog, der bekanntlich über rein kulturelle Aspekte weit hinausgeht. Schon vorher hatte die Evangelische Akademie Tutzing ein Deutsch-Russisches Gespräch organisiert. „So bin ich durch meine Russen das erste Mal in unsere Staatskanzlei gekommen. Da habe ich gesehen, wie wichtig es ist, dass ich das alles mache. Denn von deutscher Seite herrschte gegenüber den Russen, zwei ehemaligen UNO-Botschaftern, gebildet, höflich, ein ziemlich arroganter Ton. Ich habe gedacht: „Oh Gott, wie furchtbar...!“ 

Bettina von Siemens signalisiert Schmerz und beteuert, dass sie St. Petersburg inzwischen so gern mag, dass sie Heimweh bekommt, wenn sie zwei Monate lang nicht da war. Sie lernt sogar russisch, um sich mit ihren Freunden dort unterhalten zu können, die ja nicht alle englisch sprechen. „Dieser Brückenschlag, den ich auch möchte, funktioniert eben! Alle, die auf unseren bisherigen Reisen dabei waren, waren begeistert. Alle haben ein völlig anderes Russlandbild gewonnen als das, was sie vorher hatten. Und das spricht sich herum. Dadurch wird meine Stiftung jetzt auch immer bekannter.“ 

Im Rahmen des Festivals „Stars of the White Nights 2003“ unterstützt die Stiftung eine konzertante Aufführung von Glinkas Oper „Ein Leben für den Zaren“, mit der das Mariinsky-Theater 1860 eröffnet wurde. Wenn Gergiev im kommenden Herbst bei den Berliner Festspielen dirigiert, wird Bettina von Siemens ein Fund-Raising-Dinner für 300 Leute organisieren. „Was dabei an Gewinn erzielt wird“, sagt sie lächelnd, „geht auch in diese Produktion. Die komplette Inszenierung soll im Dezember Premiere haben. In diesem besonderen Fall war es rechtlich zulässig, dass wir die Mittel dafür ansparten. Das Geburtstagsgeschenk der Stiftung ist also wirklich eine neue, große Opernproduktion.“ 

Bis dahin stehen Sachspenden im Vordergrund. „Dass wir bei SOS-Anrufen, wenn auf einer Tournee in Westeuropa plötzlich z. B. ein Kontrabass kaputt ist, die Zuständigkeit übernehmen, ist mittlerweile eine Spezialität von uns!“ Wer Bettina von Siemens kennt, weiß, wie sehr es ihr am Herzen liegt, dass unter dem allgewaltigen Maestro Gergiev auch das Ballett nicht zu kurz kommt. Weil die Kompanie, die wieder Tänzer von Weltruf in ihren Reihen hat, neue Aufnahmen braucht, soll bald eine DVD von Balanchines „Jewels“ gemacht werden. Aus Anlass des 100. Geburtstags von Balanchine möchte Vaziev auch im nächsten Jahr drei Balanchine-Ballette präsentieren: Ravels „La Valse“ einschließlich des Vorspanns „Valse nobles et sentimentales“, dazu „Die vier Temperamente“ von Hindemith und Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 2, bekannt als „Ballet Imperial“. 

Bettina von Siemens, die Balanchines „Prodigal Son“ privat gefördert hat, hält auch die Einstudierung dieser Stücke für förderungswürdig. Ebenfalls im Stadium eines konkreten Plans für 2004 ist die Erweiterung des Repertoires um drei Stücke von William Forsythe: Neben der Übernahme von „Step Text“ und „In the Middle“ will Forsythe eine

Neuproduktion für die Tänzer des Mariinsky-Theaters schaffen. „Auch dieses Projekt ist für die Stiftung interessant. Es wäre schon von der Struktur her eine schöne Analogie zu dem Abend mit Balletten von John Neumeier, den wir ja auch gefördert haben.“ Am 23. Mai wurde eine große Ausstellung über das Mariinsky-Theater im Marmorpalais der Eremitage eröffnet. In den „Weißen Nächten“ dirigierte Maestro Gergiev erstmals in Russland den kompletten Ring in deutscher Sprache, und das Ballett zeigte eine Rekonstruktion von Waslaw Nijinskys „Sacre du printemps“ und Bronislawa Nijinskas „Les Noces“. Neben diesen größten Beiträgen des Mariinsky-Theaters zur 300-Jahrfeier von St. Petersburg sind die Glinka-Oper und das, was die „Stiftung der Freunde des Mariinsky-Theaters“ kontinuierlich durch ihre Förderung ermöglicht, ergänzende und belebende Faktoren dafür, dass das unerschöpfliche künstlerische Potenzial des Hauses schneller und reicher zur Entfaltung kommt.

Der Name Siemens ist übrigens seit langem mit den traditionell guten Beziehungen zwischen Russland und Deutschland verknüpft - seit 1853 nämlich, als Werner von Siemens die ersten Telegrafen dorthin lieferte. Als in diesem Frühling das Jubiläum „150 Jahre Siemens in Russland“ gefeiert wurde und mit dem 300. Geburtstag von St. Petersburg zusammenfiel, schenkte die Firma Siemens der Philharmonie eine Trafostation zur Stromverteilung. Der Dank kam vom Mariinsky-Theater: Junge Tänzer tanzten verschiedene Geschäftsbereiche von Siemens. „Es ist wirklich eine große Freude, so begabte Menschen zu fördern“, schließt die Vorsitzende der Stiftung, „und es lohnt sich!“ 

Kontakt zur Stiftung: MAECENATA Mangement GmbH, Barer Str. 44, D-80799 München, Tel.+49-89-28 44 52, Fax +49-89-26 37 74, E-mail: mariinsky@maecenata-management.de

 

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