Uliana Lopatkina zu Ehren

Zweiter Galaabend beim Mariinsky-Festival

St. Petersburg, 23/03/2009

Auch für die zweite Gala des diesjährigen Mariinsky-Festivals zu Ehren einer noch tanzenden Ballerina war im Vorverkauf kaum ein Platz mehr zu haben: Wieder füllten begeisterte Fans die Ränge des Theaters, um eine Tänzerin zu ehren, deren Namen für höchste Vollendung russischer Tanzkunst ohne jegliche akrobatische Exzesse steht. Uliana Lopatkina wählte anders als Diana Vishneva in ihrer Gala letzten Dienstag ein gemischtes Programm, das Stücke vom Anfang des letzten Jahrhunderts bis zur Gegenwart umspannte. Ihre Gala begann mit „Diamonds“ aus „Jewels“, George Balanchines Hommage an die russische Ballettgeschichte, und endete mit Fokines „Scheherazade“ als Lopatkinas persönlichem Beitrag zum Ballets-Russes-Jubiläumsjahr. Dazwischen gab es einige zeitgenössische Soli und Pas de deux, in denen die Tänzerin nur am Schluss in Francesco Ventriglias Stück „Contradictions“ auftrat.

Dieser Pas de deux, in dem Lopatkina mit roter Kurzhaarperücke und lila Kleidchen und Ivan Kozlov im braunen Trainingsanzug Anziehung und Abstoßung eines Paares demonstrieren, ist dabei das am wenigsten interessante Stück des Mittelteils. Größtenteils entbehrlich ist auch Alexei Ratmanskys Stück „The crane“, ein von Moskauer Gastsolist Dmitry Gudanov (mit weiß bemaltem Gesicht) interpretiertes Solo, das vage an Béjarts „Bakhti“ erinnert. Beziehungsprobleme stehen auch im Mittelpunkt von Yury Smakalovs temporeichem Pas de deux „The parting“, das seinen Reiz vor allem durch den natürlichen Charme seiner Interpreten Yevgenia Obraztsova und Vladimir Shkylarov gewann. Dmitry Bryantsevs Pas de deux „The old photograph“ zu Musik von Dmitri Schostakowitsch erzählt auf humorvolle Weise von den Annäherungsschwierigkeiten eines naiven und etwas tölpelhaften jungen Paares (Irina Golub und Ivan Sitnikov), während Yevgeni Panfilovs „Duet of autumn colours“ zu Musik von Arvo Pärt, choreografisch die originellste Partie des zeitgenössischen Teils, Elvira Tarasova und Andrey Batalov in immer neuen Verschlingungen und akrobatischen Hebungen zeigt. So beginnt der Pas de deux etwa mit einem Développé à la seconde Batalovs, das dieser auf 180° anhebt, während Tarasova sich schwebend um seinen Rücken drapiert. Um diese Auswahl zeitgenössischer Choreografien, die die Vorzüge mehrerer jüngerer Künstler der Kompanie hervorheben, gruppieren sich zwei wahrhaft königliche Auftritte Lopatkinas. Sowohl in „Diamonds“ als auch als Zobeide in „Scheherazade“ zeigte sie viele der Qualitäten, die sie zu einer so einzigartigen Künstlerin machen: unnachahmliche Ports de bras und Ports de tête, eine Grazie, die trotz allen Raffinements ihrer kunstvoll hingehauchten Gesten nie affektiert wirkt, und eine vollkommene Hingabe an ihre Rolle, ob sie nun strahlend-majestätisch ist wie in „Diamonds“ oder temperamentvoll-leidenschaftlich in „Scheherazade“.

Neben Lopatkina hat es ihre Umgebung manchmal schwer, sich zu behaupten – doch erweist sich Danila Korsuntsev, obgleich er nicht der raffinierteste und ausdrucksstärkste Tänzer der Kompanie ist, wie so oft an Lopatkinas Seite als aufmerksamer Partner, der auch in seinen Variationen durch weite, großzügige Sprünge und seine schöne Linie überzeugt. Ebenso funkelt das Corps de ballet um Lopatkina herum wie kleine Diamanten um das Mittelstück eines Kolliers, und das trotz der etwas unkleidsamen Tutus, deren Juwelenapplikationen wie Brustpanzer wirken. Dmitry Gudanov als goldener Sklave in „Scheherazade“ ist zwar nicht der Inbegriff der Leidenschaft, doch füllt auch er seine Rolle sowohl tänzerisch als auch schauspielerisch zufriedenstellend aus. Das opulente orientalische Märchen mit seiner prächtigen Ausstattung und Rimsky-Korsakovs berauschender Musik erweist sich als weiterer vortrefflicher Schaukasten für Lopatkinas Talent, besonders in ihrem Verführungs-Pas-de-deux mit Gudanov und in der abschließenden Szene, in der Zobeide den Sultan erst um Gnade anfleht und sich dann stolz selbst das Leben nimmt. Ein wunderbar theatralischer Moment und ein gelungenes Ende der Gala zu Ehren einer der wenigen großen Stars unter den Ballerinen unserer Zeit.

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